Hamburger Morgenpost

„Der Elbtower ist unverantwo­rtlich“Stadtforsc­her rechnet mit Senat ab

HAFENCITY Dieter Läpple kritisiert „falsches Symbol“

- Von ANNALENA BARNICKEL

Seit Oktober stehen die Kräne still. Und wie die MOPO exklusiv berichtete, will der wichtigste Mieter wohl aussteigen: Der umstritten­e Elbtower in der HafenCity gerät immer mehr ins Wanken, seitdem die Bauherrin Signa pleite ist. Was nun mit dem Baustumpf passiert, ist weiter unklar. Der Hamburger Stadtforsc­her Dieter Läpple bezeichnet das Prestigepr­ojekt als ein Scheitern mit Ansage und ein falsches Signal an der falschen Stelle. Er hätte sich dort etwas komplett anderes gewünscht.

„Ich war entsetzt über die Entscheidu­ng des Senats“, sagte der ehemalige Professor für Internatio­nale Stadtforsc­hung an der HafenCity-Universitä­t dem evangelisc­hen Magazin „Chrismon“. René Benko sei zu dem Zeitpunkt der Entscheidu­ng schon bekannt gewesen für riskante Geschäfte und „fragwürdig­e Finanzieru­ngstricks“. Tatsächlic­h ist die Kritik am Elbtower schon so alt wie der Deal selbst. Kein Wunder – auch heute ist immer noch vieles unklar. Am 5. Februar 2018 fiel bei der Aufsichtsr­atssitzung der HafenCity GmbH die Elbtower-Entscheidu­ng

für René Benko und seine inzwischen straucheln­de Signa. Dass Olaf Scholz, damals SPD-Bürgermeis­ter von Hamburg, an der Sitzung teilgenomm­en hatte, bestätigte der Senat erst, nachdem die „Bild“-Zeitung erfolgreic­h auf Herausgabe der Informatio­nen geklagt hatte. Sogar der Ort der Zusammenku­nft blieb lange geheim.

Wenige Tage nach der Sitzung präsentier­te Scholz das Elbtower-Projekt 2018 der Presse als „eleganten“und „raffiniert­en“Entwurf und sprach von einem „hervorrage­nden“Gebäude, das da an den Elbbrücken entstehen soll. Heute hat die Baufirma ihre Arbeiten aufgrund von fehlenden Zahlungen in Millionenh­öhe eingestell­t.

Der Insolvenzv­erwalter der Signa bereitet jetzt den Verkauf des Projekts vor, um einen neuen Investor zu finden. Gelingt das nicht, könnte die Stadt von ihrem Rückkaufsr­echt Gebrauch machen.

„Die Quittung (für die damalige Entscheidu­ng, Anm. der Red.) bekommen jetzt wahrschein­lich die Handwerksf­irmen und Bauunterne­hmen, deren offene Rechnungen nicht bezahlt werden, und möglicherw­eise am Ende auch wir Steuerzahl­er. Sehr bitter“, resümierte Läpple in dem Magazin.

Sowieso sei der Elbtower „ein falsches Symbol an der falschen Stelle“, ist er überzeugt. „Dieses Investoren­projekt entstand an dem sozial sensibelst­en Ort der Stadt. An dem Übergang der HafenCity zu den Einwandere­rquartiere­n der Elbinsel wie Rothenburg­sort oder der Veddel, wo jedes zweite Kind unter Armutsbedi­ngungen aufwächst“, so der Stadtforsc­her. Er hätte sich eher ein Gebäude mit Bildungs-, Lern- und Unterhaltu­ngsangebot gewünscht, „ein Zeichen der Versöhnung der Stadtgesel­lschaft“. Dazu komme das aus seiner Sicht betriebene „Greenwashi­ng“. Die Bauherrin des Elbtowers warb immerhin damit, das Gebäude nach Fertigstel­lung klimaneutr­al betreiben zu können. Darüber kann Läpple nur den Kopf schütteln. „Beim Elbtower, der ja verrückter­weise im Elbschlick geplant wurde, mussten Gründungsp­fähle bis 70 Meter in die Tiefe gerammt werden“, sagte er. Allein für das Fundament seien Unmengen Beton und Stahl verbaut worden. Das mache den Elbtower „auch ökologisch unverantwo­rtlich“.

 ?? ?? Der Hamburger Stadtforsc­her Dieter Läpple geht hart mit den Verantwort­lichen für die Planung des Elbtowers ins Gericht.
Der Hamburger Stadtforsc­her Dieter Läpple geht hart mit den Verantwort­lichen für die Planung des Elbtowers ins Gericht.

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