Der HSV braucht frischen Wind
Es werde beim HSV „keinen 180-Grad-Wechsel geben“, ließ Jonas Boldt vor genau einer Woche verlauten, nachdem der Sportvorstand Tim Walter entlassen und dessen Assistenten Merlin Polzin zum neuen Cheftrainer befördert hatte. Einige Tage und ein enttäuschendes Unentschieden später bleibt festzuhalten: Etwas mehr als nur 20 Grad müssen es dann aber wohl doch sein, wenn der HSV in dieser Saison sein Ziel Aufstieg erreichen will.
Keine Frage, der Schachzug mit Polzin ist mutig, war aber vertretbar. Auch woanders schon fruchtete der Versuch, den Assistenten groß zu machen – insbesondere der Nachbar vom Millerntor lässt grüßen. Das Remis in Rostock aber verdeutlichte, dass es dem HSV nicht nur an Stabilität im Deckungsverbund mangelt. Vielmehr wirkten zahlreiche Profis trotz des Trainerwechsels verunsichert und steckten damit einander an. Kein gutes Zeichen, denn genau das Gegenteil sollte nach einer solch weitreichenden personellen Maßnahme der Fall sein. Dass es beim HSV anders kam, unterstreicht die Annahme, dass diese Mannschaft ganz offensichtlich nicht nur eine taktische Anpassung braucht, sondern eben auch ein frisches Gesicht in der Kabine und damit eine andere Ansprache. Alles Umstände, die dann tatsächlich einen Neuanfang und frischen Wind bedeuten würden.
Um es klar zu benennen: Polzin hat nichts falsch gemacht. Das zweifelsohne große Trainer-Talent könnte unter einem neuen Chef allerdings weiter reifen. Gefragt ist nun Boldt, der einen neuen Impuls setzen muss. Diesen Zeitpunkt verpasste er bereits in der Winterpause, als er an Walter festhielt. Der Moment wäre aussichtsreich gewesen, ein neuer Trainer hätte die komplette Winter-Vorbereitung über Zeit gehabt, die Profis mit seinen Ideen vertraut zu machen. Boldt entschied sich aus Überzeugung dagegen. Sollte er nun aber auch den nächsten passenden Zeitpunkt für den benötigten Impuls auslassen, könnte sich das bitter rächen und auch erheblichen Einfluss auf das lange Zeit so großartige Zusammenspiel mit den Fans haben. Schon zuletzt, nach dem 3:4 gegen Hannover, setzten zahlreiche Anhänger ein schrilles und lange nicht mehr da gewesenes
Zeichen. Vor dem anstehenden Heimspiel-Doppelpack gegen Elversberg und Osnabrück ist die Skepsis nur noch größer geworden. Frischer personeller
Wind würde auch die Geduld beim Anhang wieder steigern.