Hamburger Morgenpost

„Hamburg verliert ein großes Stück Glaubwürdi­gkeit“

KONZERT Sänger Hauke Horeis über den schmerzlic­hen Abschied von der „Astra Stube“,be, das Image als „Rosinenpic­kerRosinen­picker“und sein neues SwiSwing-Projekt

- Das Interview führte WIEBKE BROMBERG

Sie war ihm Familie, Zuhause. Der Ort, an dem er die besten Konzerte gesehen hat. Aber auch die schlimmste­n. Mehr als zehn Jahre lang war Hauke Horeis Teil des Teams der „Astra-Stube“. Der Musiker spricht im MOPO-Interview über den schmerzlic­hen Abschied, das Image als „Rosinenpic­ker“und den Verlust von Glaubwürdi­gkeit. Aber auch über Erfreulich­es: Mit ein paar „Lieblingsm­enschen“lässt der Sänger die 20er Jahre aufleben und hat sein neues Swing-Projekt „Hauke von Horeis & Die Yoko Udos“gestartet.

MOPOP: Ihr habt bisher noch kein Album, sondern nur zwei Singles veröffentl­icht und trotzdem spielt ihr vor fast ausverkauf­tem Haus am 23. Februar in der „Nochtwache“auf St. Pauli. Wie funktionie­rt das? Hauke Horeis: Das ist wohl die perfekte Kombinatio­n aus Mundpropag­anda, Größenwahn und vielleicht auch die Neugier der Menschen auf den 20er-Vibe, den wir verkörpern. Außerdem sind wir noch nicht restlos ausverkauf­t. Wer schnell ist, kann bestimmt noch eine Karte für dieses „Experiment“ergattern.

Im Dezember 2022 hast du mit deiner Band „Odeville“das vorerst letzte Konzert im „Bahnhof Pauli“gegeben. Warum habt ihr auf unbestimmt­e Zeit eine Pause eingelegt?

Die Jungs brauchten Luft für sich und Abstand zum Business. Die Band besteht seit 18 Jahren und wir haben schon alles gesehen und gespielt, was ging – vielleicht brauchten sie auch Abstand von mir. (lacht)

Ist die „unbestimmt­e Zeit“mittlerwei­le absehbar?

Sagen wir so: Wir gehen dieses Jahr kurz auf Klassenfah­rt und werden das eine oder andere Festival spielen. Ist aber noch ein Geheimnis. Es geht aber weiter. So oder so.

Wie bist du von Odeville auf Hauke von Horeis & Die Yoko Udos gekommen?

Ich bin ein Hamburger Nachtgewäc­hs, das seit Jahren den Großteil seiner Ideen mit Freund:innen an den Tresen dieser Stadt spinnt und irgendwann auch in die Tat umsetzt – egal, wie bescheuert sie auch sind. Die Yoko Udos gehören zu meinen Lieblingsm­enschen, die das jetzt für dieses Projekt ausbaden müssen. (lacht)

Ihr vereint Swing, Jazz und Chanson. Warum 20er Jahre?

Eigentlich wollte ich eine Kunstfigur erschaffen, die außerhalb des Mainstream­s erfolgreic­h Musik produziere­n kann, ohne dabei im Fahrwasser der neuen Generation musikschaf­fender Menschen zu stranden. Da schien mir die Mischung aus Swing und Jazz als ziemlich naheliegen­d. Keiner braucht einen Typen Anfang 40, der den Trends der Kids hinterherl­äuft. Ich würde unsere Musik auch eher als Swing-Punk beschreibe­n.

Du bist seit Jahrzehnte­n in der Musikbranc­he und bekannt als jemand, der laut ist gegen Nazis. Bist du das nach wie vor oder soll eure Musik

Die „Astra-Stube“war nicht nur ein Laden, sondern eine lebendige Heimat für jegliche Freude und Kummer.

einfach nur Spaß machen?

Ich war wohl noch nie so politisch und so tanzbar zu gleichen Teilen. Es bietet sich aber natürlich auch an, mit Sarkasmus, Ironie und erotischer Stimme den Finger in die Wunden unserer Gesellscha­ft zu legen, um dann mit einem lässigen Fingerschn­ipsen im Takt nach einem weiteren Drink zu fragen. Exzentrik kann ich.

Du warst jahrelang Teil der „Astra Stube“. Welche Bedeutung hatte der Club für dich?

Die „Astra Stube“war Oma,

Mutter, Schwester, Zuhause, Homeoffice, Kummerkast­en, Comedy-Club, Tagebuch, Spielzimme­r, Jugendherb­erge. Der Ort mit dem wunderschö­nsten Ausblick aufs Viertel und den besten Mitarbeite­r:innen der Stadt. Ich war die „Astra-Stube“und die „Astra-Stube“war ich.

Was bedeutet das Aus für dich?

Es fühlt sich an, als wäre ein Teil in mir gestorben. Das war nicht nur ein Laden, sondern eine lebendige, atmende Heimat für jegliche Freude und Kummer. Und das nicht nur für mich, sondern für so viele Menschen aus dem Viertel und außerhalb.

Wie ist der aktuelle Stand um die „Astra-Stube“?

Wir sind gerade mit Unterstütz­ung vom Clubkombin­at im Austausch mit der Stadt, aber es gibt noch keine feste Entscheidu­ng für uns. Nach außen kommt es mir auch teilweise so vor, als wenn wir wie „Rosinenpic­ker“dargestell­t werden, die mit allem unzufriede­n sind, was uns die Stadt anbietet – aber ich bin ein Befürworte­r für Kultur im Viertel und nicht an der Stadtgrenz­e. Die ganzen Sternbrück­enLäden haben den Standort belebt und viele Anwohner:innen trauern diesem einmaligen

Konstrukt aus Subkultur nicht nur mit einer Träne hinterher. Ich glaube, Hamburg verliert nicht nur eine Handvoll Clubs, sondern auch ein großes Stück Glaubwürdi­gkeit in der Außenwahrn­ehmung.

Du hast viele Jahre auf dem Kiez aufgelegt, bist mit deiner Band in unterschie­dlichsten Clubs aufgetrete­n, arbeitest in der „Hebebühne“in Altona – kurz: Du kennst dich in Hamburgs Clubszene aus. Wie empfindest du die derzeitige Lage?

Ich komme mir vor wie in einer Kleinstadt, die gerade ihre

Jugendclub­s wegrationa­lisiert hat und sich wundert, warum jetzt alle Kids vor der Sparkasse abhängen, um Wodka-E zu saufen.

Was braucht es, um den Clubs ernsthaft und nachhaltig zu helfen?

Es braucht Flächen innerhalb der Viertel, die nicht nur für zwei Jahre für einen unbezahlba­ren Preis verpachtet werden, sondern auf einen langen Zeitraum nachhaltig entwickelt werden können. Aber vielleicht auch die Sensibilit­ät der Politik in die Kommunikat­ion zu gehen, mit dem Vertrauen, dass Menschen, die jahrzehnte­lang in der Clubkultur verankert sind, die eine oder andere Erfahrung in diesem Bereich teilen können, um gemeinsam Stadtentwi­cklung zu betreiben.

Neue Single: „Ich sing dich in den Schlaf“, auf allen Streaming-Portalen Konzert: 23. Februar, „Nochtwache“, Bernhard-Nocht-Str. 69 a, 20.30 Uhr (Einl. 19.30), VVK 20 Euro zzgl. Geb.

Ich war wohl noch nie so politisch und so tanzbar zu gleichen Teilen.

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Foto: Kevin Winiker Photostudi­o Ottensen Hauke Horeis wagt in seinem neuen Projekt ein Crossover von Swing, Jazz, Chanson – und ein bisschen Punk.
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Schliephak­e Alexander u.): o.& ( Fotos Mit den Yoko Udos lässt Hauke von Horeis den Swing der 20er wieder aufleben.
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