Hamburger Morgenpost

„Ich habe so lange abgedrückt, bis die Trommel leer war“

PROZESS Es ging um Drogen, Geld und einen Sog der Gewalt – warum ein Streit unter Freunden eskaliert

- Von DANIEL DÖRFFLER

„Denkst du, wir töten dich nicht?“, soll Fadhel B. (20) noch einem Zeugen zugerufen haben, bevor er sich aus dem Staub machte. Kurz zuvor war der 26-jährige Khaled M. mit mehreren Schüssen niedergest­reckt worden. Er starb im Krankenhau­s. Beim Prozessauf­takt vor der Jugendkamm­er des Landgerich­ts Hamburg gesteht der Angeklagte die Tat. Über den Getöteten sagt er: „Er war eigentlich mein Freund.“Zu den genauen Hintergrün­den schweigt er sich aus. Dennoch zeichnet sich ab: Es ging um Drogen, Geld – und einen Sog der Gewalt.

Die beiden hätten sich schon aus Kindertage­n in Tunesien gekannt, berichtet Fadhel B. dem Gericht. Bei Fragen hört er auf die Übersetzun­g der Dolmetsche­rin, um ihr danach in leisem Ton auf Arabisch zu antworten. Der junge Mann hat schulterla­nge schwarze Haare. Unter einem schwarzen Kapuzenpul­li trägt er ein weißes T-Shirt, dazu Jeans und Turnschuhe. Der Anklagever­lesung folgt B. mit trägem Blick.

Die Staatsanwa­ltschaft wirft dem 20-Jährigen Totschlag, Bedrohung und Nötigung vor. Am 25. August 2023 gegen 22.30 Uhr soll Fadhel B. den Geschädigt­en auf Höhe der Klaus-GrothStraß­e 6 (Borgfelde) im Streit erschossen und einen Zeugen auf seiner Flucht mit dem Tod bedroht haben.

Über seine Verteidige­rin äußert sich B. zunächst schriftlic­h. Seine Familie in

Tunesien werde bereits bedroht, zu Hintergrün­den könne er deshalb nichts sagen. Nachdem er 2022 nach Hamburg geflohen war, sei er dort in den Drogenhand­el geraten. Auch Khaled M. habe mit Drogen gedealt.

Der später Getötete geriet laut B. in Schwierigk­eiten, habe ihn dafür verantwort­lich gemacht. „Wenn ich dich kriege, töte ich dich“, soll er gedroht haben. B. gibt an, an jenem Abend im August mit dem Fahrrad zu einem Deal am U-Bahnhof Burgstraße unterwegs gewesen zu sein. Auf dem Rückweg habe er an der Klaus-Groth-Straße zufällig zwei gemeinsame Freunde getroffen. Kurz darauf sei M. erschienen. Aggressiv und im Drogenraus­ch habe er sich genähert, „komm her“gerufen. Auch Fadhel B. ist an diesem Tag berauscht. Eine

Mischung aus Schmerzmit­teln, Cannabis und großen Mengen Kokain, so schildert er.

Er sei zurückgewi­chen, jedoch mit einem Revolver bewaffnet gewesen. Aus Angst, wie er sagt. Als Khaled M. nur noch wenige Schritte entfernt ist, zieht B. die Waffe – und schießt. Erst einmal, dann fünf weitere Male. „Ich habe so lange abgedrückt, bis die Trommel leer war.“Nur unter vorgehalte­ner Waffe sei ihm die Flucht gelungen, da einer der Freunde auf ihn einschlug, schildert Fadhel B. Vier Tage später stellte er sich der Polizei. Die Versuche des Richters, die Hintergrün­de der Tat aufzukläre­n, schlagen zunächst fehl. „Was ist mit diesem Koffer? Ein Kilo Marihuana soll da drin gewesen sein. Und die 6000 Euro in bar?“, will er an einer Stelle wissen. Schweigen. Einzig der Verbleib der Tatwaffe – angeblich in der Alster entsorgt – scheint sich aufzukläre­n. Der Angeklagte erklärt sich bereit, der Kripo den genauen Ort zu offenbaren. Der Prozess wird am Mittwoch, dem 6. März, fortgesetz­t.

Was ist mit diesem Koffer? Ein Kilo Marihuana soll da drin gewesen sein. Und die 6000 Euro in bar? Richter zum Angeklagte­n

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Fadhel B. (M.) sitzt mit seiner Dolmetsche­rin und seiner Verteidige­rin im Gerichtssa­al.
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August 2023: Ein Lichtmast erhellt den abgesperrt­en Tatort an der Klaus-Groth-Straße.

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