Das verlassene Gefängnis im Neubaugebiet
ARRESTANSTALT Gebäude in Kiel-Wik steht seit Jahren leer – Historiker fordern Gedenkstätte
Der Backsteinbau aus dem Jahr 1904 ist umgeben von schicken Neubauten. Doch die Fenster des historischen Gebäudes sind vernagelt, die Klinker-Fassade bröckelt. Seit 24 Jahren steht die Marine-Arrestanstalt in Kiel-Wik leer. Historiker halten das für eine Schande und fordern in dem heute städtischen Gebäude die Errichtung einer Gedenkstätte. An einem Konzept dafür wird schon seit 2022 gearbeitet.
Das historische Marine-Areal mit der Garnisonskirche, alten Lazarettgebäuden, dem Kesselhaus und sogar einem ehemaligen Leichenhaus hat den Zweiten Weltkrieg überstanden. Gebäude wurden restauriert und um 2018 sind auch diverse neue Wohngebäude fertiggestellt worden. Architektonisch, aber auch geschichtlich ist das ein wichtiger Ort. Hier begann 1918 der Matrosenaufstand, und zwar direkt vor dem MarineKnast, der nun vor sich hin gammelt. Schon im Ersten Weltkrieg wurden hier Matrosen eingesperrt und im Zweiten Weltkrieg saßen auch Offiziere ein, die wegen „Wehrkraftzersetzung“oder ähnlicher schwammiger Vorwürfe zum Tode verurteilt waren.
Der bekannteste Insasse, der 106 Tage in einer dunklen
Zelle saß, ist der U-BootKommandant Oskar Kusch. Der 1918 geborene Berliner trat 1937 in die Kriegsmarine ein, wurde Offizier und befehligte ab 1943 das Unterseeboot „U154“. Bei der 48-köpfigen Besatzung war der Kapitänleutnant wegen seiner kameradschaftlichen Art beliebt. Doch unter den Offizieren gab es auch zwei überzeugte Nazis und die gerieten mit dem „Kaleu“oft aneinander. Oskar Kusch nahm nämlich kein Blatt vor den Mund. Er soll Adolf Hitler einen „Verrückten, einen Verbrecher und wahnsinnigen Teppichbeißer“genannt haben. Die Matrosen und Maate hielten den Mund. Doch die beiden nazitreuen Oberleutnants denunzierten ihren Kommandanten Anfang Januar 1944. Kapitänleutnant Kusch wurde im französischen U-BootStandort Lorient verhaftet.
U- Altenbruch Deutsches Cuxhaven- Foto: Museum,
Der Offizier kam in den Kieler Marine-Knast und stand ab 26. Januar 1944 vor dem Militärgericht. Schon am Abend dieses Tages fiel das Urteil. Wegen „fortgesetzter Zersetzung der Wehrkraft und des Abhörens von Auslandssendern“verurteilten Marinerichter Oskar Kusch zum Tode und einem Jahr Zuchthaus. Der Vertreter der Anklage hatte „nur“eine zehnjährige Zuchthausstrafe beantragt.
Ein Offizierskamerad des Verurteilen bat den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Großadmiral Karl Dönitz, um eine Begnadigung. Doch der
Offizier konnte das Leben seines Kameraden nicht retten. Der extrem regimetreue Dönitz ließ das Urteil vollstrecken. Am 12. Mai 1944 wurde Oskar Kusch auf einem MarineÜbungsplatz von einem Erschießungskommando hingerichtet.
Nach dem Krieg forderte der Vater des Offiziers posthum Gerechtigkeit für seinen Sohn. Die Kieler Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen einen leitenden Marinerichter. Doch der Militärjurist wurde 1950 freigesprochen. Die Begründung
des Kieler Landgerichts: Das Urteil des Marinerichters hätte allein ein militärisches Versagen Kuschs als Grund. Politische Gründe hätten keine Rolle gespielt.
Der Fall des hingerichteten U-Boot-Kommandanten geriet in Vergessenheit. Erst auf Drängen von Politikern und eines Marinehistorikers wurde Kusch 1996 rehabilitiert. Seit 1998 gibt es in Kiel eine OskarKusch-Straße und die Bundesmarine hat auf ihrem Marinestützpunkt die Scheermole in Oskar-Kusch-Mole umbenannt.