„Wurde oft unterschätzt“: Wie es ist, als Frau in der KI-Branche erfolgreich zu sein
START-UP Eine junge Gründerin über Vorurteile, ein gutes Bauchgefühl und deutschen Perfektionismus
„Ich habe mir gedacht: ,Hey, ich mache das jetzt einfach‘“, sagt Lena Weirauch und lacht. Im Alter von nur 25 Jahren und während der Corona-Pandemie hat die Hamburgerin gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern das Start-up „ai-omatic“gegründet. Das Trio hat einen digitalen Assistenten entwickelt, der durch Künstliche Intelligenz (KI) Unregelmäßigkeiten bei Produktionen frühzeitig erkennt und so die Unternehmen vor möglichen Ausfällen warnt. Lena Weirauch ist eine der Nominierten bei den „Strive Awards“, die heute in Hamburg vergeben werden und weibliche Vorbilder ehren. Ein Gespräch über Vorurteile gegenüber Frauen, ein gutes Bauchgefühl und den deutschen Perfektionismus.
Frau Weirauch, müssen Sie als Frau in der männerdominierten Technikbranche härter kämpfen? Lena Weirauch: Ich habe es teilweise schwerer als meine männlichen Kollegen, ja. Gerade als ich angefangen habe, wurde ich oft unterschätzt. Da haben sich viele gefragt: „Was will dieses junge Mädchen hier?“Und als ich dann gesagt habe, dass ich die Geschäftsführerin eines KI-Unternehmens bin, waren viele überrascht. Aber ich konnte mich durch mein Know-how beweisen. Wenn man durch Kompetenz glänzt, dann stößt man auf offene Ohren – egal ob als Mann oder als Frau.
Erschreckend, dass das im Jahr 2024 immer noch ein Thema ist.
Total. Auf der einen Seite erlebe ich es schon so, dass Frauen in der Tech-Szene sichtbarer werden, es gibt Programme speziell für Gründerinnen. Aber mich stört es, dass sich das überhaupt nicht in den Zahlen widerspiegelt. Den Anteil an weiblichen Start-up-Gründern konnten wir zum Beispiel nicht wirklich steigern: Im Jahr 2022 waren es 20,3 Prozent, 2023 waren es 20,7 Prozent.
Wie kann man das ändern?
Ich denke, dass die Schulen da eine wichtige Rolle spielen. Man muss jungen Mädchen zeigen, welche Möglichkeiten es im naturwissenschaftlichen Bereich gibt.
Und da spreche ich nicht von einem „Girls Day“, wo Schülerinnen einen Tag im Jahr in einen „Männerberuf“reinschnuppern können – das ist viel zu wenig. Wir brauchen wiederkehrende Unterrichtseinheiten, sodass die stereotypischen Bilder langfristig verändert werden.
Wie kam es dazu, dass eine 25-jährige Psychologin ein KI-Unterneh
men gründet?
Ich habe vor der Gründung des Start-ups in der Luftfahrtindustrie gearbeitet und mich dort auch schon mit dem Thema der vorausschauenden Maschinenwartung beschäftigt. Zusammen mit meinen beiden Co-Gründern haben wir dann unsere Idee entwickelt. Die Gründung war dann eigentlich recht spontan und aus dem Bauch heraus. Ich habe mir gedacht: „Hey, ich mache das jetzt einfach. Mal schauen, was passiert.“
Für eine Psychologin ja ein besonderer Schritt …
Ja, das klingt erst mal verrückt. Im Psychologiestudium hat man aber viele Berührungspunkte mit der Statistik. Für viele Studenten ist das der unangenehme Teil, mir hat das aber total viel Spaß gemacht. Dadurch habe ich zum ersten Mal mit dem Feld des Programmierens und der Softwareentwicklung zu tun gehabt. Das fand ich so spannend, dass ich dann auch beruflich in den Bereich gegangen bin.
Sie haben das Unternehmen während der Corona-Pandemie gegründet – eine Zeit, in der viele Firmen sehr kämpfen mussten. Das erfordert viel Mut.
Die Idee zur Gründung hatten wir tatsächlich direkt vor dem Ausbruch der Pandemie. Natürlich hätten wir beim ersten Lockdown das Projekt abbrechen können – aber das hätte nicht zu mir gepasst. Ich bin sehr ehrgeizig. Wenn ich etwas anfange, dann will ich, dass das erfolgreich wird. Die Pandemie war für mich eher ein gegebener Umstand. Das war ein schwieriger Start, aber dadurch waren wir auch sehr schnell mit den Herausforderungen einer Selbstständigkeit konfrontiert. Die Pandemie hat uns so gesehen sogar stärker gemacht.
Der Anfang war sicherlich besonders schwer – ohne Referenzen, ohne Kunden.
Ja, das war eigentlich das Schwierigste überhaupt. Am Anfang standen wir da zu dritt und wollten die Welt verändern – wir hatten einen Laptop und ganz viel Tatendrang, aber mehr auch nicht. Am Anfang hörst du 100-mal „nein“, bevor du irgendwann ein „Ja“kriegst.
Woher kommt Ihr Ehrgeiz?
Das kommt daher, dass ich etwas machen kann, das mich interessiert und das mir Spaß macht. Mit der Gründung von „ai-omatics“habe ich da meine Bestimmung und meinen Weg gefunden. Das war wie ein Knoten, der geplatzt ist. Ich kann etwas bewegen, meine Ideen verwirklichen.
Woher kommt das, dass deutsche Firmen sich in der Branche nicht durchsetzen konnten?
Ich glaube, dass wir viele kluge Köpfe in Deutschland haben – vor allem an den Hochschulen. Wir haben aber das Problem, dass wir es nicht schaffen, diese tollen Ideen auf den Markt zu bringen. Das hat sicherlich auch mit dem deutschen Perfektionismus zu tun. In der Start-up-Welt geht es darum, schnell und agil zu sein – und das kollidiert mit der deutschen Angst vor Risiko. Außerdem stellt Deutschland den Start-ups im Vergleich zu den USA oder Israel zu wenig Kapital zur Verfügung – da verlieren wir viele Innovationen.