Hamburger Morgenpost

Holsten-Areal: Ein Spiel auf Zeit

ALTONA SAGA, Quantum und Adler-Gruppe zocken um das Gelände

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Sun Patrick Foto:

„Wir wollen uns nicht über den Tisch ziehen lassen“: Diesen Satz hört man hinter vorgehalte­ner Hand aus den Reihen der SAGA und des Projektent­wicklers Quantum, wenn es um die Verhandlun­gen mit dem insolvenzb­edrohten Immobilien­giganten Adler über die Zukunft des brachliege­nden Holsten-Areals geht. Adler will das ehemalige Brauerei-Gelände möglichst gewinnbrin­gend abstoßen. Quantum und die SAGA wollen es kaufen, um es endlich mit 1200 Wohnungen zu bebauen. Doch die Verhandlun­gen stocken seit Monaten, weil die angeschlag­ene Adler-Gruppe Millionen-Gewinne einstreich­en will, um sich selber zu sanieren.

„Wer sich zuerst bewegt, hat verloren“, beschreibt ein Beteiligte­r die Spielregel­n der Verhandlun­gen, die zäh sind wie Kaugummi. Quantum und die SAGA wollen den Preis so drücken, dass sich Wohnungsba­u auf dem Gelände überhaupt noch lohnt. Sie pokern darauf, dass die Adler-Gruppe dringend frisches Geld braucht, um eine Insolvenz abzuwenden. Doch das Damoklessc­hwert, das über dem PleitePlei­te-Unternehme­n hängt, lässt Adler scheinbar unbeeindru­ckt. Der Konzern weiß, dass auch die Stadt unter Druck ist, dafür zu sorgen, dass auf dem Ruinenfeld nach jahrelange­m Stillstand dringend benötigte Wohnungen gebaut werden. Alle Seiten spielen so auf Zeit. Das Gelände war 2016 von der Carlsberg-Brauerei an die Düsseldorf­er Gerchgroup verkauft worden. Anschließe­nd wurde es mehrfach weiterverä­ußert, ohne dass gebaut wurde. Durch die Bodenspeku­lationen vervielfac­hte sich der Preis des Grundstück­s. 2016 hätte die Stadt das Areal für rund 65 Millionen Euro erwerben können. Stattdesse­n steht es nun mit 364 Millionen Euro in den Bilanzen der Adler-Gruppe. Die vermeidet zur Politik derzeit dabei jeden Kontakt. „Aktuell finden keine Gespräche zwischen dem Eigentümer und dem Bezirksamt statt“, räumt der Sprecher des Bezirks Altona, Mike Schlink, ein. So hält sich Adler auch darüber bedeckt, ob sie parallel noch mit anderen potenziell­en Käufern verhandelt, um den Preis in die Höhe zu treiben. Und auch SAGA und Quantum halten sich aus verhandl l u n g s t a k t i - schen Gesichtspu­nkten bedeckt und betonen nur: „Wir haben weiterhin Interesse an einem Ankauf des Holsten-Areals.“Die Anwohner:innen-Initiative „Holsten knallt am dollsten“nutzte nun die Hängeparti­e, um ihre Forderunge­n zu erneuern. In einer aktuellen Stellungna­hme heißt es: „Adler ist aus unserer Sicht definitiv Geschichte. Dies sollte die Stadt als Chance begreifen, um eine Neuplanung des Quartiers in die Wege zu leiten und einen überarbeit­eten städtebaul­ichen Vertrag und Bebauungsp­lan vorzuberei­ten, die sich an den Kriterien der Beschaffun­g bezahlbare­n Wohnraums, einer klimavertr­äglichen Bebauung und ausreichen­der Grünfläche­n orientiere­n.“

Doch genau da will der Senat nicht ran. Denn mehr bezahlbare­r Wohnraum statt eines großen Anteils Luxus-Wohnungen und eine aufgelocke­rte Bebauung mit viel Grün und Freifläche­n würde viel Geld kosten, das Hamburg fehlt.

So überlässt die Stadt der SAGA die Initiative, an das Gelände zu kommen – obwohl Finanzsena­tor Andreas Dressel (SSPD) den st ädtischen Rü ückkauf des 86 6.000 Quadratmet­er

großen Geländes vergangene­s Jahr ins Gespräch brachte und direkte Verhandlun­gen darüber mit Adler aufgenomme­n werden sollten.

Nun aber sollen es die SAGA und der nicht ganz unumstritt­ene Projektent­wickler Quantum richten. „Wir haben ein großes Interesse dran, dass dieser Deal zustande kommt, und sind da auch recht zuversicht­lich“, betont der Sprecher der Stadtentwi­cklungsbeh­örde, André Stark. Bislang hält die Stadt dabei an einem 2022 auf Eis gelegten städtebaul­ichen Vertragsen­twurf plus Bebauungsp­lan fest, der eine verdichtet­e Bebauung von mindestens 1200 Wohneinhei­ten mit nur einem Drittel Sozialwohn­ungen vorsieht, während der Rest für Luxusmiete­n und Giganto-Kaufpreise über den Tisch gehen dürfte. Nur „einen Bruchteil der 1200 Wohnungen von der SAGA, den Rest aber von Quantum bauen zu lassen, wird nicht dazu beitragen, dass hier Wohnungen für Gering- und Normalverd­iener:innen entstehen“, kritisiert die Linken-Abgeordnet­e Heike Sudmann die aktuellen Planvorgab­en. Aufgrund derer dürften es „mindestens 700 sauteure Wohnungen werden“. So pokern sie alle – die Stadt, die SAGA, die Adler-Gruppe. Wie lange das Spiel noch dauert und wer am Ende als Sieger daraus hervorgeht, ist völlig offen. Der Einsatz aber ist hoch: Es geht um die Zukunft eines Stadtteils und die Schaffung so dringend benötigter bezahlbare­r Wohnungen. Wenn der rot-grüne Senat sich da verzockt, wird er bei den anstehende­n Wahlen wohl die Quittung bekommen.

Wir haben ein großes Interesse dran, dass dieser Deal zustande kommt, und sind zuversicht­lich. André Stark, Sprecher der Stadtentwi­cklungsbeh­örde

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Seit vielen Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik: MOPOKolumn­ist Marco Carini

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