Hamburger Morgenpost

15. April 1979

- OLAF WUNDER olaf.wunder@mopo.de

Filmstar Romy Schneider und Schauspiel­er Harry Meyen sind in den 60er Jahren das deutsche Traumpaar schlechthi­n. Sie haben einen gemeinsame­n Sohn, leben in Hamburg, sind glücklich miteinande­r. Wenigstens eine Zeit lang. Dann zerbricht die Beziehung. Romy Schneider lässt sich scheiden. Ihr Mann verkraftet das nicht. Vor 45 Jahren, am 15. April 1979, kommt es im Hamburger Stadtteil Harvestehu­de zum Drama.

Schauplatz ist das Haus Harvestehu­der Weg 27. In der fraglichen Nacht ist Meyen nicht allein. Seine neue Lebensgefä­hrtin, die damals 26-jährige Schauspiel­erin Anita Lochner, übernachte­t bei ihm. Als sie gegen neun Uhr morgens aufwacht, ist das Bett neben ihr leer. Wenig spä - ter macht sie die grauenvol - le Entdeckung: Harry Mey en hat sich, während si schlief, an der Rückfron t leiter des Hauses erhängt. an Das einer dramat Feue ri - sche Ende eines wechselvol­len Lebens.

Harry Meyen wird als Harald Haubenstoc­k am 31. August 1924 in Hamburg geboren. Sein Vater ist ein jüdischer Kaufmann. Weil er für die Nazis ein „Halbjude“ist, wird Harry Meyen mit 18 Jahren ins KZ gesperrt und überlebt die Nazi-Zeit mit viel Glück.

Nach dem Krieg beginnt er als Schauspiel­er am Thalia-Theater, steigt an den Boulevardb­ühnen des Berliner Ku’damms zum umjubelten Schauspiel­er und Regisseur auf. Auch der Film entdeckt ihn.

1955 ist er in Helmut Käutners „Des Teufels General“an der Seite von Curd Jürgens zu sehen, 1956 in Falk Harnacks „Nacht der Entscheidu­ng“. Ausgerechn­et er, der NS-Verfolgte, muss im Film laufend Nazis spielen. Meyens Karriere läuft blendend – bis zu dem Tag, an dem er auf Romy Schneider trifft. Eine schicksalh­afte Begegnung.

Sie ist damals Deutschlan­ds berühmtest­e Schauspiel­erin. Unvergesse­n ihre Rolle als Kaiserin Elisabeth von Österreich in „Sissi“1955. Ein Riesenerfo­lg. Aber ihr mädchenhaf­tes Image will sie danach so schnell wie möglich abschüttel­n, möchte als Charakter

Romy Schneider wurde von Meyen domestizie­rt zu einer aufblicken­den, wunderschö­nen Hausfrau. Michael Jürgs, Buchautor und Journalist

schauspiel­erin ernst genommen werden. Deshalb verlässt sie Ende der 50er Jahre Deutschlan­d und geht nach Frankreich. Die deutsche Presse ist außer sich vor Zorn.

In Frankreich wird Romy Schneider zum Star. Während der Dreharbeit­en zu „Christine“verliebt sie sich 1958 in ihren Filmpartne­r Alain Delon. Vier Jahre sind die beiden miteinande­r liiert, verloben sich. Aber 1963 ist mit einem Mal Schluss. Ohne nähere Erklärung verschwind­et Delon von heute auf morgen. Romy Schneider findet nur einen Strauß Rosen vor, daneben eine kurze Notiz: „Ich bin mit Nathalie nach Mexiko, alles Gute, Alain.“Romy Schneider ist über diese Trennung noch nicht hinweg, als sie im April 1965 zum ersten Mal Harry Meyen begegnet. In Berlin wird die Eröffnung des EuropaCent­ers gefeiert. Romy Schneider, gekleidet im eleganten Chanel-Kostüm, ist als internatio­naler Stargast geladen.

Den Werbetermi­n will sie eigentlich so schnell wie möglich hinter sich bringen und nach Paris zurückkehr­en.

Doch der Mann, der neben ihr platziert wird, erregt ihre Aufmerksam­keit: Harry Meyen, 14 Jahre älter als sie, ein Gentleman in den besten Jahren, gebildet, geistreich, ein Frauenschw­arm.

Meyens Freund Harald Juhnke wird später berichten, er habe Harry so noch nie erlebt. „Sonst so blasiert und obercool und auf einmal verknallt. Er brannte förmlich, er sagte immer nur: ,Daraus muss was werden ...‘“Und es wird was draus. Für die 26-jährige Romy Schneider, die nie ein richtiges Zuhause hatte, ist der 40-Jährige Familiener­satz, die heile Welt, die sie sich immer so sehr gewünscht hat. Romy Schneider findet es gut, einen Mann zu haben, der ihr sagt, wo es langgeht. Er füllt die dominante Rolle gerne aus. Am 3. Dezember 1966 kommt der gemeinsame Sohn David Christophe­r zur Welt.

Es sind solche Fotos, an denen sich die deutschen Medien jetzt erfreuen: Romy, wie sie ihren Sohn David im Kinderwage­n durch den Grunewald

schiebt. Harry Meyen im modischen Rollkragen­pullover vor dem heimischen Kamin. Am liebsten verbringt das Paar die Abende mit Königsberg­er Klopsen und Kartoffels­alat vorm Fernseher.

Eine Zeit lang genießt

Romy Schneider das bürgerlich­e Leben mit Mann und Kind. Sie verändert sich. „Romy Schneider wurde von Meyen domestizie­rt zu einer aufblicken­den, wunderschö­nen Hausfrau“, so Michael Jürgs, ein befreundet­er Hamburger Journalist. „Er schmückte sich mit ihr und gab gleichzeit­ig zum Ausdruck, dass sie ohne ihn nichts wäre.“

Nach zwei Jahren bekommt die Beziehung Risse. Als eines Tages das Telefon klingelt, ist das wohl der Anfang vom Ende der Ehe: Alain Delon ist dran und fragt Romy Schneider, ob sie nicht wieder mit ihm vor der Kamera stehen will – für den Film „Der Swimmingpo­ol“. Sie sagt sofort zu und stürzt sich ausgehunge­rt in die Arbeit.

Während sie so erfolgreic­h ist wie nie zuvor, schlittert Meyen beruflich von einem

Misserfolg zum nächsten. Seit Beginn der Ehe hat er seine Karriere völlig vernachläs­sigt. Jetzt zieht das Paar nach Hamburg. Dort hofft Meyen auf neue Erfolge. Vergeblich. Er erleidet Schiffbruc­h.

Die Inszenieru­ng eines Stücks von Thomas Bernhard bei den Salzburger Festspiele­n wird zum Reinfall. Auch bei zwei Operninsze­nierungen – Wagners „Tannhäuser“und Rossinis „Barbier von Sevilla“– erfüllt er die in ihn gesetzten Erwartunge­n nicht: Das Hamburger Publikum buht ihn aus. Es gelingt Romy Schneider, ihm ein paar kleine Rollen zu vermitteln. Er tritt in TV-Krimis auf, arbeitet als Synchronsp­recher, ist die Stimme von Dirk Bogarde, Peter Sellers, Robert Mitchum. Nichts wirklich Befriedige­ndes.

Mit den Misserfolg­en wird Meyen nicht fertig. Die Depression, unter der er sowieso schon sein ganzes Leben leidet, wird jetzt schlimmer. Er ertränkt seinen Frust im Alkohol, nimmt Tabletten. Freunde wenden sich ab, weil er schon morgens blau ist. 1975 verlässt Romy Schneider ihn. Es folgt ein furchtbare­r Scheidungs­krieg um Sorgerecht und Geld. Am Ende nimmt Romy ihren Sohn mit nach Frankreich, und Meyen erhält als Abfindung die Summe von einer Million Mark. „Was schlimmer ist, als Sissi zu sein?“, so Meyen nach der Scheidung. „Exmann von Sissi.“Vier Jahre später: Harry Meyen macht am UKE eine achtwöchig­e Entziehung­skur, kehrt Gründonner­stag, 12. April 1979, wieder nach Hause zurück. Am Ostermonta­g will er gemeinsam mit seiner Freundin, der Schauspiel­erin Anita Lochner, nach München fahren, um sich dort in ein Sanatorium zu begeben. So ist es geplant.

Die neue Frau an seiner

Seite sc eint ihm gutzutun. Alle glauben, er sei auf dem richtigen Weg. Umso überrasche­nder der Suizid. In der Nacht auf Ostersonnt­ag nimmt er sich das Leben, hinterläss­t keinen Abschiedsb­rief. Anita Lochner wird erst viele Jahre später enthüllen, dass Meyen seh schwer krank gewesen se

idamals. Er habe einen Hirntumor gehabt. Außerdem habe er die Trennung von seinem Sohn nie verkraftet. Romy Schneider ist schockiert, als sie vom Tod Meyens hört, macht sich Vorwürfe. In ihr Tagebuch „Ich, Romy“schreibt sie: „Ich hätte mich mehr um ihn kümmern müssen.“

Auch Romy Schneider sucht vergeblich nach ihrem Glück. Ihre Ehe mit Daniel Biasini, ihrem fast zehn Jahre jüngeren Privatsekr­etär, scheitert. Die beiden lassen sich 1981 nach sechs Jahren scheiden. Im gleichen Jahr verunglück­t Romy Schneiders inzwischen 14-jähriger Sohn David Christophe­r tödlich. Beim Versuch, über einen Zaun auf das Grundstück seiner Großeltern zu klettern, verliert der Junge das Gleichgewi­cht und eine Metallspit­ze durchtrenn­t die Schlagader seines Oberschenk­els. Der Junge überlebt seinen Vater gerade mal um zwei Jahre.

Über diesen Verlust kommt Romy Schneider nicht hinweg. Kurz nachdem sie ihren letzten Film „Die Spaziergän­gerin von SansSouci“abgedreht hat, stirbt sie am 29. Mai 1982 in ihrer Pariser Wohnung an Herzstills­tand. Ihr immenser Konsum von Alkohol und Tabletten trägt sicherlich zu ihrem frühen Tod bei. Sie wird 43 Jahre alt.

In ihrer letzten Lebensphas­e hat Romy damit begonnen, überall, wo sie sich aufhält, ein Bild von Harry Meyen, David Christophe­r und sich aufzustell­en. In einem Interview sagt sie, die beiden ersten Jahre ihrer Ehe mit Harry Meyen seien die glücklichs­ten ihres Lebens gewesen.

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