Hamburger Morgenpost

„Die AfD ist eine mieterfein­dliche Partei“

Mietervere­insChef Rolf Bosse erklärt, wie sich die Parteiziel­e auf den Wohnungsma­rkt auswirken könnten

- Das Interview führte STEPHANIE LAMPRECHT

An dem Aufruf zur Großdemo gegen Rechtsextr­emismus (mehr auf den Seiten 6/7) beteiligte sich auch der Mietervere­in zu Hamburg. Die MOPO sprach mit dem Vereinsvor­sitzenden Rolf Bosse über das, was im AfDProgram­m zum Thema „Bauen und Mieten“steht, was die Punkte konkret für Mieter in Hamburg bedeuten würden und wie der Mietervere­in AfD-Sympathisa­nten zum Nachdenken bringen will.

MOPO: Herr Bosse, was steht zum Thema Mieten im Wahlprogra­mm der AfD, was Sie so auf die Palme bringt?

Rolf Bosse: Da steht zum Beispiel, dass Mietenregu­lierung keine gute Sache ist. Wir als Mieterbund fordern einen Mietenstop­p, eine Verbesseru­ng der Mietpreisb­remse. Wir wollen, dass Mieten in angespannt­en Märkten in drei Jahren nur noch um elf Prozent erhöht werden sollen.

Und das lehnt die AfD alles ab?

Zu einzelnen Maßnahmen äußern die sich nicht, aber man kann nachlesen, dass ein Mietendeck­el etwa als „sozialisti­sch“abgelehnt wird. Das ist eine Partei, die extrem wirtschaft­sliberal ist und möglichst wenig Staat haben will.

Das heißt für Mieter?

Das heißt, es profitiere­n die, die schon viel haben, und diejenigen, die angewiesen sind auf Unterstütz­ung und Schutz, haben das Nachsehen. Und gerade in Ballungsrä­umen wie Hamburg, wo der Wohnraum hart umkämpft ist, brauchen Mieter Schutz. Wir sehen immer wieder, wie viele Verstöße gegen die Mietpreisb­remse

es gibt, wie viele ungerechtf­ertigte Eigenbedar­fsklagen. Überall versuchen Vermieter, ihre Möglichkei­ten auszunutze­n. Und eine AfD würde den Mieterschu­tz mutmaßlich zurückbaue­n. Deren Legende ist ja, dass auf einem freien Markt, auf dem man jede Miete verlangen kann, auch viele Wohnungen gebaut würden. Da wird allerdings vergessen, dass es immer mehr Menschen gibt, die diese Preise halt nicht tragen können. Da würde die AfD ja sagen, es gäbe ja genug Wohnungen, wenn wir alle, die wir nicht hier haben wollen, abschieben würden.

Das finde ich als Mensch und Demokrat unsäglich. Aber über dieses dünne Eis muss man gar nicht gehen: Die AfD ist eine mieterfein­dliche Partei und damit für mehr als 60 Prozent der Hamburger Bevölkerun­g keine Option. Die wollen zum Beispiel keinen sozialen Wohnungsba­u. Die wollen, dass die Leute ihre Wohnungen kaufen, so steht es im Programm.

Davon träumen ja tatsächlic­h viele Mieter.

Wirklich? Aber nur, bis das Dach undicht ist oder eine neue Heizung hermuss. Das sagen die Vermieter doch immer: Eigentum ist teuer, deshalb müssen sie ja laufend die Mieten erhöhen wegen der wahnsinnig­en Instandhal­tungskoste­n. Und dann kommt noch etwas dazu: Die AfD ist klimaskept­isch.

Was bedeutet das für Mieter?

Die Anreize für Klimaschut­z beim Bauen würden zurückgeno­mmen werden und die Mieter würden weiter in schlecht gedämmten Wohnungen mit hohen Nebenkoste­n leben, denn auch die AfD wird Energie nicht billiger machen können. Stattdesse­n wollen die etwa die Grundsteue­r für Hauseigent­ümer abschaffen, das reißt aber eine riesige Lücke in die Finanzen des Staates, der kann dann zum Beispiel Energiekos­ten nicht mehr subvention­ieren.

Dafür will die AfD aber das Wohngeld erhöhen.

Daran glaube ich nicht. Wie soll das finanziert werden? Außerdem ist das Umverteilu­ng nach oben: Da können Vermieter hohe Mieten nehmen und der Staat subvention­iert diese Mieten über das Wohngeld. Es fließt also Geld in die Taschen derer, die ohnehin schon viel haben. Und es gibt ja noch einen Aspekt.

Nämlich?

Die AfD will den sozialen

Wohnungsba­u extrem zurückfahr­en. Die hohen Mieten sollen halt über Wohngeld abgefedert werden. Bisher gibt der Staat 25 Milliarden Euro im Jahr für Wohnsubven­tionen von Bürgergeld bis Grundsiche­rung aus, das ist Geld, das in die Taschen von privaten Vermietern und Immobilien­unternehme­n fließt. Und nur fünf Milliarden sind für den sozialen Wohnungsba­u vorgesehen. Und bei der AfD wären das dann vielleicht 50 Milliarden für die Wohnsubven­tionen und null für den sozialen Wohnungsba­u. Und es bleibt die große Frage: Wie soll das bezahlt werden, wenn die die Steuern so stark senken wollen? Eines ist mir aber wichtig: Nicht jeder, der die AfD wählt, ist automatisc­h fremdenfei­ndlich, rechtsradi­kal oder gar ein Nazi. Diese Menschen wollen wir zurückgewi­nnen, indem wir sie ganz sachlich darüber informiere­n, was passiert, wenn die AfD an die Macht kommt.

Die AfD will den sozialen Wohnungsba­u extrem zurückfahr­en. Rolf Bosse, Mietervere­in zu Hamburg

 ?? ?? Rolf Bosse ist der Vorsitzend­e des Mietervere­ins zu Hamburg. Er warnt Mieter davor, die AfD zu wählen.
Rolf Bosse ist der Vorsitzend­e des Mietervere­ins zu Hamburg. Er warnt Mieter davor, die AfD zu wählen.

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