Hamburger Morgenpost

Grüne über Vorgehen bei der „Bezahlkart­e“für Asylbewerb­er verärgert. Kritik auch von den Jusos

RATHAUS

- Von ANN-CHRISTIN BUSCH

Die Grünen wollen sie nicht, soziale Einrichtun­gen auch nicht, und selbst einige Jusos üben Kritik: Es geht um Regeln, die mit der Bezahlkart­e für Asylbewerb­er in Hamburg einhergehe­n. Schon im Vorfeld waren sich die Fraktionen im rot-grünen Rathaus uneins. Mit der Einführung wurde klar: Die SPD hat hier einen Alleingang gestartet – das sorgt für Knatsch.

Anstelle von Bargeld erhalten Asylbewerb­er in der Erstunterk­unft seit rund einer Woche eine Plastikkar­te, die sogenannte „Social Card“. 134 dieser Karten sind bisher laut Sozialbehö­rde ausgegeben worden (Stand 22. Februar). Das Pilotproje­kt soll Aufwand bei der Ausgabe von Bar-Bar geldeld in den Ämtern vermeiden. SPD und Grüne finden das grundsätzl­ich beide gut – Regeln für die Karte lehnen die Grünen aber strikt ab.

Hamburgs rote Innen- und Sozialbehö­rde hätten ihre Vorstellun­gen schnell gegen alle Bedenken durchgedrü­ckt, hört man von eingeschna­ppten Grünen. Soziale Träger und sogar Teile der Jusos sind ebenfalls unzufriede­n. Die Debatte ist umso bedeutende­r, weil bald bundesweit eine Bezahlkart­e eingeführt wird.

Um welche Regeln geht es? Auf der „Social Card“befinden sich insgesamt 185 Euro für den persönlich­en Bedarf. 50 Euro Bargeld können pro Monat abgehoben werden, für Minderjähr­ige jeweils 10

Euro. Dabei fallen Gebühren an: Am Geldautoma­ten sind es zwei Euro. In Geschäften ist die Abhebung ab einem Einkauf von fünf bis zehn Euro kostenlos.

Wo Visa akzeptiert wird, etwa im Supermarkt oder beim Friseur, kommt die Karte

zum Einsatz. Im Ausland, im Onlinefür Handel, Geldtransf­ers oder Glückksspi­el funktionie­rt didie KKartet nicht. Verhindern wollen die Behörden damit, dass Asylbewerb­er staatliche Leistungen an Freunde oder Familie im Ausland schicken. Ob und in welchem Umfang sie dies tatsächlic­h tun, dazu hat die Bundesregi­erung bis heute nach „Spiegel“-Informatio­nen keine Daten vorliegen.

„Es gibt viele Stellen, wo eine Kartenzahl­ung nicht möglich ist – gerade in Sozialkauf­häusern, bei der Tafel oder auch die Waschmarke­n bei Fördern und Wohnen – 50 Euro sind dann schnell weg“, kritisiert Mareike Engels, Sozialexpe­rtin der Grünen. Die Social Card ist bereits vor der aktuellen Debatte um Anreize für Asylbewerb­er auf den Weg gebracht worden, argumentie­ren die Sozialund

Innenbehör­de auf MOPO-Anfrage. „Dementspre­chend handelt es sich hierbei um eine reine Verwaltung­sentscheid­ung. Ein Einbezug der Bürgerscha­ft war vor diesem Hintergrun­d nicht notwendig“, so die Behörden. Von einer „guten Akzeptanz“bei den Nutzerinne­n und Nutzern ist weiterhin die Rede. „Sie sind erleichter­t, dass sie gleich etwas in der Hand haben und nicht erst einen Bescheid bekommen, mit dem sie zu einem anderen Ort gehen, warten müssen und erst dann Geld bekommen“, so eine Sprecherin. Die 50 Euro Bargeld würden sich am Sozialgese­tzbuch orientiere­n. Dort steht, dass volljährig­e Personen „mindestens 27 Prozent“des Regelbedar­fs als Bargeld erhalten sollen. Das wären aktuell mindestens 55 Euro.

Aus SPD-Kreisen hört man Worte wie „Wahlkampf“und „Klientelpo­litik“, wenn es um den Ärger der Grünen geht. „Es gab zur Bezahlkart­e sicherlich unterschie­dliche Meinungen, wir haben da die Fachzustän­digkeiten und einen Beschluss der Ministerpr­äsidentenk­onferenz“, sagt SPD-Fraktionsc­hef Dirk Kienscherf. Und: „Wir verstehen die staatliche­n Leistungen nicht als Teil der Entwicklun­gshilfe.“

Die Bezahlkart­e sei an sich nicht „stigmatisi­erend“, für staatliche Leistungen müsse sich niemand schämen. Doch nicht alle Sozialdemo­kraten sehen das so. In einem Instagram-Beitrag bezeichnen die Jusos in Wandsbek und Altona die Regeln der Karte genau so. Innerparte­ilich gibt es wohl Klärungsbe­darf. Die Grünen hoffen, dass sich aus dem Pilotproje­kt jetzt noch Änderungen ergeben. Dirk Kienscherf zeigt sich dafür zumindest offen: „Wir schauen, wie sich die Bezahlkart­e in der Praxis bewährt und werden gegebenenf­alls nachjustie­ren. Im Gespräch ist etwa der OnlineHand­el.“

 ?? ?? Die Bezahlkart­e wird derzeit in Hamburg ausgegeben. Mareike Engels (Grüne) kritisiert: „Es gibt viele Stellen, wo eine Zahlung mit der Karte gar nicht möglich ist.“
Die Bezahlkart­e wird derzeit in Hamburg ausgegeben. Mareike Engels (Grüne) kritisiert: „Es gibt viele Stellen, wo eine Zahlung mit der Karte gar nicht möglich ist.“
 ?? Foto:pictureall­iance ??
Foto:pictureall­iance

Newspapers in German

Newspapers from Germany