Wirtschafts-Bilanz: Ebbe für unseren Hafen
Warenumschlag liefert das schlechteste Ergebnis seit fast 15 Jahren
Der Rückgang ist in erster Linie der schwierigen geopolitischen und wirtschaftlichen Situation geschuldet. Axel Mattern, Hafen-Marketing
Der Hafen hat beim Warenumschlag im vergangenen Jahr erneut verloren und das schlechteste Ergebnis seit fast 15 Jahren erzielt. Insgesamt seien 114,3 Millionen Tonnen Seegüter über die Kaikanten gegangen, sagte der Chef von Hafen Hamburg Marketing, Axel Mattern, gestern. Das seien 4,7 Prozent weniger als 2022. Das ist der schlechteste Wert seit 2009 – dem Jahr nach der Weltwirtschaftskrise. Damals wurden 110,4 Millionen Tonnen Seegüter umgeschlagen. Im bislang besten Jahr 2014 waren es 145,6 Millionen Tonnen.
Dramatisch ist die Lage auch beim wichtigen Containerumschlag. Dort verlor der Hamburger Hafen innerhalb von zwei Jahren eine Million Standardcontainer (TEU). So gingen im vergangenen Jahr den Angaben zufolge 7,7 Millionen TEU über die Kaikanten, nach 8,3 Millionen TEU im
Jahr zuvor und noch 8,7 Millionen TEU im Jahr 2021. Auch das ist der schlechteste Wert seit 2009, als 7,0 Millionen TEU umgeschlagen wurden. Das bislang beste Jahr erlebte der Hamburger Hafen 2007 mit einem Containerumschlag von 9,9 Millionen TEU.
Um den Hafen und vor allem den Containerumschlag zu stabilisieren, will Hamburgs rot-grüner Senat beim größten Umschlagunternehmen – dem Hafenlogistiker HHLA – die Reederei MSC an Bord holen. So sollen die Stadt und die italienische Mediterranean Shipping Company (MSC) mit Sitz in Genf die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) künftig als Gemeinschaftsunternehmen führen, bei dem die Stadt eine Mehrheit von 50,1 Prozent hält. Bislang gehören der Stadt rund 70 Prozent der börsennotierten HHLA. Im Gegenzug will die weltgrößte Reederei MSC ihre
Deutschlandzentrale in Hamburg bauen, das Ladungsaufkommen von 2025 an erhöhen und bis 2031 auf eine Million TEU zusätzlich pro Jahr steigern. Zudem wollen MSC und die Stadt das Eigenkapital der HHLA in Hamburg um 450 Millionen Euro erhöhen. Gegen den Deal gibt es aber heftige Widerstände von der Gewerkschaft Verdi und von HHLA-Beschäftigten, die um die Mitbestimmung und ihre Jobs bangen. Das letzte Wort hat voraussichtlich im Mai die Hamburgische Bürgerschaft. Bereits heute will Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im Parlament eine Rei gierungse erklärung abgeben. Mattern n sagte mit Blick auf den Hafen n: „Der Rückgang ist in erster Linie L der schwieriolitischen gen geopo und wirthen schaftlich Situation geuldet, schu mit der sich alle e Marktteilnehmer ko onfrontiert sehen.“Er betonte aber auch: „Wir liegen mit der Entwicklung
unserer Umschlagzahlen auf einem Niveau mit dem nordeuropäischen Wettbewerbsumfeld und können uns im Vergleich mit anderen Häfen gut behaupten.“So sank der Containerumschlag im mit Abstand größten europäischen Hafen Rotterdam den Angaben zufolge um 7,0 Prozent auf 13,4 Millionen TEU. Antwerpen wiederum verlor sogar 7,2 Prozent und kommt auf rund 11,6 Millionen TEU. Hamburg belegt somit bei den sogenannten Nordrange-Häfen – zu ihnen gehören die für den Containerumschlag relevanten Häfen an der Nordseeküste von Kontinentaleuropa – weiter den 3. Platz. Für 2024 verzichtete Mattern auf eine konkrete Prognose, sagte aber: „Wir freuen uns, wenn wir das halten können, was wir haben.“
Die CDU-Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft machte die rot-grüne Koalition der Hansestadt sowie die Ampel-Koalition in Berlin für die Rückgänge im Hafen mitverantwortlich. „Beide schaffen es seit Jahren nicht, die notwendigen Entscheidungen zu treffen und vor allem für bessere Rahmen- und Wettbewerbsbedingungen zu sorgen“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering.
Ob der geplante Einstieg von MSC bei der HHLA zu einer Trendumkehr führen werde, bleibe mehr als zweifelhaft, „denn es ist anzunehmen, dass die Verluste durch
abwandernde Reedereien die von MSC in Aussicht gestellten geringen Ladungszuwächse übertreffen werden“. Der Linken-Hafenexperte Norbert Hackbusch forderte den Senat zum Umdenken auf. „Der Hamburger Hafen hat ein strukturelles Problem“, das sich nicht durch eine unglückliche Heirat mit einer Reederei lösen lasse.