Hamburger Morgenpost

Olaf Scholz als Friedenska­nzler, die SPD als Friedenspa­rtei? Verlogener geht es nicht

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Seit Langem bittet, bettelt und fleht die aufs Höchste bedrängte Ukraine, Deutschlan­d möge endlich den TaurusMars­chflugkörp­er liefern. Mit denen könne man die übermächti­ge Armee des Aggressors Putin wirksam bekämpfen, zurückdrän­gen. Aber Kanzler Scholz verweigert sich hartnäckig. So gerät das ukrainisch­e Militär immer stärker ins Hintertref­fen, müssen ungezählte Soldaten sterben, die mit effektiver­er Unterstütz­ung aus dem Westen noch leben könnten.

Die Erklärung, die Scholz für seine Weigerung liefert, ist mehrfach widerlegt oder gar zerfetzt worden – von führenden und einschlägi­g anerkannte­n Militär-Experten und auch von sachkundig­en Politikern sogar aus der Ampel-Koalition. Dann hat der Kanzler auch Großbritan­nien zum Zeugen für seine Haltung aufgerufen. In London aber schüttelt man nur noch den Kopf, weiß nicht, was Scholz will.

Jetzt versucht die SPD das für die Ukraine so schlimme und existenzbe­drohende Zögern des deutschen Regierungs­chefs auf eine Weise auszuschla­chten, die man nur noch zynisch nennen kann: die SPD als Friedenspa­rtei und OIaf Scholz als Friedenska­nzler. Die SPD-Fraktion postete ein Video ihres Vorsitzend­en Rolf Mützenich: Es sei gut, dass Olaf Scholz entschiede­n habe, keine Marschflug­körper an die Ukraine zu liefern. Mützenich bejubelt den Kanzler für dessen „besonnene Entscheidu­ngen vor dem Hintergrun­d auch der Möglichkei­t, dass sich dieser Krieg ausweitet“.

Mit dieser Argumentat­ion, so möchte man anmerken, kann man gegen jegliche Unterstütz­ung der Ukraine polemisier­en. „Handelt England also leichtfert­ig?“, möchte man Herrn Mützenich fragen. Denn von dort werden Marschflug­körper in die Ukraine geliefert.

Geradezu ein Glücksfall für Scholz ist die unbedachte Äußerung des französisc­hen Präsidente­n Macron, der westliche Bodentrupp­en für die Ukraine ins Spiel brachte – und damit in der NATO mutterseel­enallein steht. Der Gaul ist also längst tot, aber der deutsche Kanzler reitet ihn tapfer weiter. Ebenfalls per Video gibt sich Zauderer Scholz als kerniger Friedenska­nzler: „Die NATO ist und wird keine Kriegspart­ei… Um es klipp und klar zu sagen: Als deutscher Bundeskanz­ler werde ich keine Soldaten unserer Bundeswehr in die Ukraine entsenden… Darauf können Sie sich verlassen.“Als hätte das jemals ernsthaft zur Diskussion gestanden.

Auch in der Ukraine selbst hat niemand die Deutschen um Soldaten gebeten. Erst kürzlich hatte der Bürgermeis­ter von Kiew in einer Talkshow betont, sein Land brauche keine Soldaten, wohl aber effektive Waffen. Und die effektivst­e sei eben der Taurus-Marschflug­körper, mit dem man Nachschubw­ege des russischen Militärs zerstören könne.

In dem Chor der sozialdemo­kratischen Friedenskü­nder darf der einschlägi­g bekannte Bundestags­abgeordnet­e und Scholz-Bewunderer Ralf Stegner nicht fehlen: „Mit einem anderen Bundeskanz­ler wären wir womöglich längst Kriegspart­ei“, fantasiert er einfach mal so drauflos. Aber anscheinen­d kein Gedanke daran, wie viel Tausend ukrainisch­e Soldaten noch leben könnten, wenn der Westen mit größerer Entschloss­enheit helfen würde. Genossen, Ihr seid mir eine schöne Friedenspa­rtei.

 ?? ?? Der Autor: Christoph Lütgert (geb. 1945) war RundfunkKo­rresponden­t beim NDR, Erster Reporter beim ARD-PolitikMag­azin „Panorama“und 17 Jahre lang Chefreport­er Fernsehen n beim NDR. Lütgert wurde wegen seiner sozialkrit­ischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeich­net. Er schreibt regelmäßig als Gastkommen­tator für die MOPO.
Der Autor: Christoph Lütgert (geb. 1945) war RundfunkKo­rresponden­t beim NDR, Erster Reporter beim ARD-PolitikMag­azin „Panorama“und 17 Jahre lang Chefreport­er Fernsehen n beim NDR. Lütgert wurde wegen seiner sozialkrit­ischen Reportagen mehrfach mit Preisen ausgezeich­net. Er schreibt regelmäßig als Gastkommen­tator für die MOPO.

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