Hamburger Morgenpost

Diese Urkunde war ein hohes Privileg

Hamburger Bürgereid kostete auf dem „Flohdom“nur 20 Euro

-

„Bürger-Eyd“stand dick gedruckt auf dem vergilbten und zerfledder­ten Dokument, welches ich auf dem „Flohdom“an der Feldstraße entdeckte. Der Händler wollte 20 Euro und ließ auch nicht mit sich handeln. Ich schlug trotzdem zu und wurde so stolzer Besitzer einer fast 200 Jahre alten Hamburger Urkunde.

Daheim versuchte ich die Eides-Urkunde zu entziffern. Aber vielleicht muss man erst mal erklären, was der Hamburger Bürgereid eigentlich war. Bürgermeis­ter Hermann Langenbeck führt ihn 1483 in der Hansestadt ein.

Wer den Eid ablegte, der bekam einen Bürgerbrie­f und wurde zu einem „Vollbürger“. Diesen privilegie­rten Status konnte aber nur erreichen, wer im Besitz eines frei vererbbare­n Grundstück­s oder von Liegenscha­ften innerhalb der Hamburger Stadtgrenz­en war. Bis ins 19. Jahrhunder­t wurde noch zwischen „Großbürger­n“und „Kleinbürge­rn“unterschie­den. Die Großbürger mussten höhere Abgaben leisten, hatten aber auch das Recht zur Jagdausübu­ng und durften die große städtische Waage benutzen. 1880 besaßen rund 30.000 von damals 454.000 Einwohnern Hamburgs das Bürgerrech­t.

Der Eidestext der Flohmarkt-Urkunde ist in Plattdeuts­ch verfasst und beginnt so: „Ich lave und schwöre tho GOTT dem Allmächtig­en, dat ick düssem Rahde und düsser Stadt will truw und hold wesen, Eer Bestes söken un de Schaden affwenden …“Der angehende Bürger verpflicht­e sich in diesem Eid frei übersetzt dem Rat und der Stadt treu zu dienen, Schaden abzuwenden und alles zu melden, was sich gegen ebendiesen Rat und die Stadt richtet. Weiterhin verpflicht­et sich der Unterzeich­ner der Eides-Urkunde, brav alle Abgaben zu entrichten, die in der Urkunde eigentümli­ch aufgeliste­t wurden: „Tholage, Tollen, Accise, Matten …“Und nicht zu vergessen, auch die „Törckenstü­er“.

Was bitte ist das? Ganz einfach, die „Türkensteu­er“, die seit dem 16. Jahrhunder­t erhoben wurde. Eingeführt hatte sie Kaiser Friedrich III. Mit dieser Steuer sollten Feldzüge gegen die „ungläubige­n Türken“finanziert werden. Doch seitdem die Türken 1683 vor Wien vernichten­d geschlagen wurden, hatte die Steuer keine reale Bedeutung mehr. Im Text des Hamburger Bürgereids blieb die Formulieru­ng trotzdem bis 1845. Ab da wurde der Bürgereid ins Hochdeutsc­he übertragen.

Mein Flohmarktf­und aber war in Platt gehalten, musste also vor 1845 erstellt worden sein. Auf dem Dokument ist das Datum schwer zu entziffern, es könnte der „25. May 1835“sein. Gut zu lesen dagegen ist der Name des Mannes, der diesen Eid ablegte und unterschri­eb: Heinrich Christoph Kraas. Ziemlich stolz dürfte der Herr Kraas als frischgeba­ckener Bürger wohl gewesen sein. Auf die Bedeutung des Bürgereids weist bis heute die Darstellun­g des idealen Lebenswegs eines Hamburger Bürgers im Rathaus hin. Dort heißt es im Treppenhau­s der Bürgerscha­ft: „Tritt ein in Bürgergild­en und leiste Bürgereid“.

 ?? ?? Nur 20 Euro kostete diese BürgereidU­rkunde. Im Internet werden dafür bis zu 150 Euro aufgerufen.
Nur 20 Euro kostete diese BürgereidU­rkunde. Im Internet werden dafür bis zu 150 Euro aufgerufen.
 ?? ?? Eine Mark Gebühr musste der Hamburger Neu-Bürger für die Urkunde berappen.
Eine Mark Gebühr musste der Hamburger Neu-Bürger für die Urkunde berappen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany