Was über den Abhörskandal bekannt ist
UKRAINE-HILFE Gespräch von Offizieren über „Taurus“-Lieferungen wurde von Moskaus Geheimdienst mitgeschnitten
BERLIN/MOSKAU – Es ist ein echter Skandal. Und wenn die Details stimmen, die tröpfchenweise bekannt werden, dann ein hochnotpeinlicher dazu. Offenbar haben sich Bundeswehr-Offiziere vom russischen Geheimdienst abhören lassen, als sie über brisante Details zu möglichen „Taurus“-Lieferungen sprachen (MOPO berichtete). Und gingen dabei massiv unvorsichtig vor.
➤ Was war passiert? Am Freitag hatte die Chefin des russischen Staatssenders RT, Margarita Simonjan, einen 30-minütigen Mitschnitt eines Gespräches ranghoher Bundeswehr-Offiziere ins Netz gestellt – und damit Deutschland bloßgestellt. Das Gespräch – ein Gruppencall über die Software Webex – beginnt mit einer zwanglosen Plauderei, ein Offizier schwärmt von seinem Hotelzimmer in Singapur: „Ich schicke dir vielleicht später mal ein Foto. Das ist schon mega.“Später geht es um die Vorbereitung eines Treffens mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) – und brisante Details zu deutschen „Taurus“Marschflugkörpern.
➤ Was an dem Gespräch ist so brisant? Zuallererst die Tatsache an sich, dass es geleakt wurde. Zudem anscheinend mit einfachsten Mitteln. Zweitens will Minister Pistorius sich bei dem anstehenden Treffen offenbar über das „Taurus“-System erstmals intensiver informieren – obwohl seit Monaten öffentlich debattiert wird, ob Deutschland der Ukraine die Marschflugkörper liefern soll oder nicht. Die vier Offiziere, darunter Luftwaffen-Chef Ingo Gerhartz, diskutieren mögliche Einsatz-Szenarien bei einer „Taurus“-Lieferung.
Ein Punkt stützt die Haltung des Kanzlers: Sie kommen zum Schluss, dass ukrainische Soldaten sehr lange ausgebildet werden müssten, eine schnelle Lieferung nur möglich wäre, wenn deutsche Soldaten sich am Einsatz beteiligen. Dies ist Olaf Scholz’ Hauptargument gegen die Lieferung. Er will unbedingt vermeiden, dass Deutschland Kriegspartei wird.
Außerdem sprechen die Offiziere über die technischen Möglichkeiten, und ob die Raketen die Krimbrücke zerstören kökönnten – wohl auch nur mithilfe deutscher Experten oder nach langer Ausbildung.
➤ Wie war das Abhören möglich? Offenbar hatte der russische Geheimdienst die Zugangsdaten zu dem Gespräch und sich schlicht zugeschaltet.
Das behauptete der CDUVerteidigungs-Experte Roderich Kiesewetter in der ARD und berief sich auf „Quellen, die sich berufsmäßig damit beschäftigen“. Keinem der vier Offiziere war der Mithörer aufgefallen. Seit Corona kennen ja viele Angestellte Besprechungen im Web aus dem Homeoffice mit Softwares wie Teams, Zoom oder eben WWebex.b DDass ddas – trotz angeblicher Top-Verschlüsselung – in Tests regelmäßig als besonders unsicher gilt, schien bisher niemanden zu stören. Der deutsche Kontingentführer bei der NATO-Luftraumüberwachung im Baltikum, Swen Jacob, sagte der dpa: „Wir haben nach unserem Ermessen schon das Maximum gemacht, was wir tun können. Aber es zeigt eben auch: Der Russe hört mit.“Kanzler Scholz verspricht derweil Aufklärung. Die Union verlangt bereits einen Untersuchungsausschuss ob der Peinlichkeit.
Ich schicke dir vielleicht später mal ein Foto. Das ist schon mega.
Zitat eines Offiziers aus dem Mitschnitt