Hamburger Morgenpost

Mann sucht VierZimmer-Wohnung — und erntet Wut

OTTENSEN Hitzige Debatte nach Immobilien-Anzeige: Darf ein Alleinsteh­ender so viel Platz beanspruch­en?

- SILVIA RISCH silvia.risch@mopo.de

„Moin! Ich bin auf der Suche nach einer Wohnung in Ottensen! Allein lebend, gerne 3 bis 4 Zimmer!“Mit diesem harmlosen Facebook-Post lässt ein Mann die Emotionen bei den Nutzern überkochen – und erntet viel Kritik: „Allein 3-4 Zimmer?!? In Ottensen?!! Wie dreist ist das denn bitte.“Die MOPO erklärt den Wohnungs-Zoff – was ein Experte von „Mieter helfen Mietern“dazu sagt.

Es ist ein freundlich formuliert­es Gesuch auf Facebook: Ein Mann bittet in einer Stadtteil-Gruppe um Hinweise für eine freie Wohnung in Ottensen. Doch bei vielen Nutzern löst er damit heftige Kritik aus. Der Stein des Anstoßes: Der Mann sucht als Alleinsteh­ender drei bis vier Zimmer – mitten im beliebten Stadtteil Ottensen.

„Wie dreist ist das denn bitte. Such doch in Poppenbütt­el oder Pinneberg, da kannst du dich dann ausleben, alleine“, schreibt jemand. Oder: „Ich finde es auch eine Frechheit. Ganz viele Menschen suchen verzweifel­t Wohnungen. Und da möchte ein Mensch für sich alleine 3 bis 4 Zimmer? ... ich hoffe sehr, dass Ihr Wunsch unerfüllt bleibt.“Eine Mutter kritisiert: „Meine Tochter, meine Hündin und ich hätten auch sehr gerne mehr als unsere 2 Zimmer. Alleine 3-4????? Puh ... da fehlen mir die Worte.“

Andere springen dem Suchenden zur Seite, es ist die Rede von „Neid“und „Eifersucht“. Und: „Was hier für verbale Entgleisun­gen geschriebe­n werden, ist erschrecke­nd.“ Doch was sagt ein Experte zum Zoff um den begehrten Wohnraum? „Der Mann muss überdurchs­chnittlich verdienen, um sich auf dem freien Wohnungsma­rkt die Miete in Ottensen leisten zu können. Der Preis für 100 Quadratmet­er liegt dort kaum unter 2000 Euro warm“, sagt Marc Meyer (63), Rechtsanwa­lt beim Verein „Mieter helfen Mietern“. „Aber wenn er das zahlen kann, hat er bei den allermeist­en Vermietern leider bessere Chancen als eine Familie mit Kindern. Aus Sicht der Vermieter nutzt ein Single die Wohnung viel weniger ab. Er wird möglicherw­eise auch weniger Streiterei­en mit den Nachbarn haben, weil er weniger Geräusche macht als eine vierköpfig­e Familie. Solche Konflikte sind den meisten Vermietern lästig.“

Was hier für verbale Entgleisun­gen geschriebe­n werden, ist erschrecke­nd. Ein User zu den wütenden Kommentare­n bei Facebook

Marc Meyer persönlich habe da allerdings einen anderen „moralische­n Kompass“: „Solange Wohnungen so ein rares Gut sind, bin ich auf der Seite der Familien“, sagt er. „Ich will keine NeidDebatt­e lostreten, aber für Familien ist es wichtiger, kurze Wege und eine gute Infrastruk­tur vor der Tür zu haben.“

Für die meisten vierköpfig­en Familien mit einem durchschni­ttlichen vollen und einem Teilzeitge­halt sei so eine Wohnung in Ottensen allerdings gar nicht bezahlbar. „Wir fordern schon seit Langem eine wirksame Begrenzung der Neuvermiet­ungspreise und eine radikale Reduzierun­g der Mieterhöhu­ngsmöglich­keiten bei bestehende­n Mietverhäl­tnissen“, so Meyer. Sein Verein geht von rund 100.000 bezahlbare­n Wohnungen aus, die derzeit in Hamburg fehlen.

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Marc Meyer (63), Rechtsanwa­lt beim Verein „Mieter helfen Mietern“
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