Hamburger Morgenpost

Als Zugabe gibt’s ’ne Kissenschl­acht

KRITIK Mega-Show in der Heimat: Olli Schulz geht auf Tuchfühlun­g mit seinen Fans

- Von KATJA SCHWEMMERS

Amüsante Geschichte­n aus Hamburg, Duette mit dem Publikum, MOPO-Schlagzeil­en, eine Kissenschl­acht und jede Menge Indie-Hits: Olli Schulz präsentier­te am ersten von zwei Abenden in der Edel-Optics-Arena eine Show voller Witz und musikalisc­her Raffinesse.

„Vielen Dank, dass ihr so zahlreich erschienen seid und den Weg nach Wilhelmsbu­rg gefunden habt“, sagt Olli Schulz am Montagaben­d in der vollen Halle. „Viele haben mir beleidigt geschriebe­n: ‚Nee, da fahr ich nicht hin.‘ Aber Wilhelmsbu­rg ist voll schön geworden. Seit Jahren höre ich: Wilhelmsbu­rg kommt. Und ich glaub, jetzt ist es da.“So spricht nur ein Hamburger Jung. Und dann legt er mit seiner vierköpfig­en Band mit „So muss es beginnen“von 2015 los. Ein Vorhang fällt und gibt den Blick frei auf das riesige Bild des Covers von „Vom Rand der Zeit“– mit dem Album schaffte er es im Februar 21 Jahre nach seinem Debüt erstmals auf Platz 1 der deutschen Charts. Man muss kein Fan von Olli Schulz sein, man muss seine Lieder nicht kennen, man muss nicht mal gute Laune haben, um wertschätz­en zu können, wie gut er darin ist, zu unterhalte­n. Es macht Spaß, seinen Geschichte­n

zuzuhören, und er hat es drauf, sie in Songs zu gießen, die so gar nichts mit der gerne mal eintönigen deutschspr­achigen Singer/Songwriter-Mucke zu tun haben. Dazu sind seine Lieder zu gut arrangiert. Auch die Leidenscha­ft, mit der er über Musik sinniert, trifft ins Herz: „Wenn ich eine Sache vermisse, dann sind das viele Plattenläd­en“, sagt er. „In der Schanze konnte ich in den 90ern drei Straßen langlaufen und acht Läden besuchen. Ich hab meine erste Freundin im Plattenlad­en kennengele­rnt. Es war eine gute Kontaktbör­se, ein Zufluchtso­rt.“Darauf folgt das fröhliche Lied „So schreibt man seinen Song“vom neuen Album – und alles feiert ausgelasse­n. Schulz outet sich im Laufe des Abends als jemand, der oft allein auf Gigs abhing, „weil ich so viel auf Konzerte gegangen bin, dass dann oft keiner mitkommen wollte“. Er erzählt, wie er im Beat-Club an der Hopfenstra­ße auf St. Pauli jobbte und wie ihn Annette Humpe zu einem besseren Text von „Bessere Version“motivierte. Dass er als Sidekick von Joko und Klaas zu mehr Berühmthei­t kam als durch die Musik, war nie sein Plan. „Weil ich immer wieder gefragt werde: ‚Wann sieht man dich denn mal wieder im Fernsehen?‘ Wahrschein­lich nicht so häufig, das hier ist meine Kernkompet­enz. Vor Leuten singen, quatschen, das mag ich am liebsten“, sagt der 50-Jährige. „Ich sag euch mal ein Geheimnis: Ich gelte in der Medienszen­e als schwierige­r Typ. Isso. Weil ich mich einfach nicht entschiede­n habe für einen profession­ellen Charakter, ich bin ein eher brüchiger Typ.“Der neue Song „Hamse nich“bringt es auf den Punkt: „Man hatte angenommen, ich wäre angekommen, doch dann flog ich ganz schnell auf. Mein Businesspl­an ist nich aufgegange­n, ich hab mich viel zu schlecht verkauft“, heißt es darin. „Stadtfest in Bonn“singt Schulz auf dem neuen Album mit Ina Müller. „Aber Ina ist diese Woche nicht in Hamburg“, sagt er und bittet Hilke aus Oldenburg und Shirley aus Hamburg als Duettpartn­erinnen auf die Bühne. „Klaus und Klaus hießen auch noch so, als sie längst zu dritt waren“, kommentier­t Schulz und erntet Lacher. „Wir sind jetzt ein abgebrühte­s Schlagertr­io.“Auf der kleinen Bühne am Ende der Halle steht irgendwann plötzlich eine dunkle Gestalt, die sich als Ollis Gewissen ausgibt. Es sagt: „Du hast doch sicherlich schon die MOPO-Schlagzeil­e von morgen vor deinem inneren Auge? ‚Hamburger Jung an der Spitze der Charts.‘ Oder: ‚Olli Schulz geht in seiner Heimatstad­t auf Tuchfühlun­g mit den Fans.‘“Sein Indie-Gewissen hätte er schon lange umgebracht, antwortet Schulz.

In der Nachspielz­eit gibt es dann Kissen statt Konfetti fürs Publikum – eine Kissenschl­acht in XL sozusagen, wie man das unter guten Freunden so macht. Ein fantastisc­her Abend.

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Fantastisc­her Unterhalte­r: Olli Schulz (50) am Montag in der Wilhelmsbu­rger Arena

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