„Sterben, Tod und Trauer sind Tabus“
Autorin tritt bei ungewöhnlicher Kunst-Performance auf
„Wie ist die Lage?“, unser fast täglicher Podcast in Kooperation mit der Gute Leude Fabrik, spürt aktuellen Fragen nach. Hier kommen prominente Lenkerinnen und unbekannte Denker für knapp 15 Minuten zu Wort. Die Auswahl von PR-Profi Lars Meier ist rein subjektiv, aber immer spannend und überraschend. Die heutige Folge mit der Autorin Anika Stracke wird ermöglicht durch unseren Werbepartner Bäderland. Den Podcast gibt es in voller Länge auf den üblichen Kanälen und heute um 12 Uhr bei ahoy radio.
Lars Meier: Liebe Frau Stracke, der Anlass des Gesprächs ist ja trauriger Natur. Heute, am 7. März, findet unter dem Titel „This is the End“im Lotsenhaus ein künstlerischer Wettstreit statt, an dem Sie antreten. Es geht es um Trauer und den Verlust von Menschen. Wie kam es dazu? Anika Stracke: Ja, das Thema ist hauptsächlich traurig, aber der Rahmen, in dem das Ganze stattfindet, nur zum Teil. Das Lotsenhaus ist ein Bestattungsort und auch ein Bildungsort. Das Thema ist Tod, Trauer, Ende: „This is the End“. Es ist ein Bild-TextBattle und das ist dann schon eher unterhaltsam, weil zwei Comiczeichner dabei sind, Till Laßmann und Stephan Lomp. Sie bebildern live die Texte, die Liefka Würdemann
und ich lesen. Die Texte sind nicht nur getragen und schlimm, sondern auch sehr witzig.
Gibt es inzwischen einen offeneren Umgang mit dem Tod?
Ich sage mal Jein. Sterben, Tod und Trauer sind immer noch Tabus. Diese Erfahrung habe ich gemacht, als meine Mutter gestorben ist und als ich eine Freundin verloren habe. Ich hatte immer das Gefühl, besser man sagt es nicht laut.
Welcher Art sind die Texte an diesem Abend? Sind das selbstverfasste Texte oder literarische Vorlagen von anderen Autoren?
Es sind unsere eigenen Texte. Liefka Würdemann ist Lesebühnenautorin und gestandene Poetry-Slammerin. Sie schreibt skurrile Kurzgeschichten. Ich schreibe Gedichte im Stil von Spoken Word. Sie sind rhythmisch und lustig, aber auch ein bisschen schlimm. Und manchmal vielleicht etwas grenzwertig.
zweistöckigen Hauses offenbart sich vor den Augen der Zuschauer, als um 20.30 Uhr der Vorhang fällt. Sessel, ein Sofa, Stehlampen, eine Schrankwand, eine Wendeltreppe nach oben, acht Fernsehbildschirme – ganz schön gemütlich sieht die Butze von The 1975 aus!
Matt Healy (34), nicht skandalfreier Frontmann der Band, nimmt mit Kippe im Mund und silbernem Flachmann in der Hand hinter dem Keyboard Platz. Seine immer etwas verträumt wirkenden Vocals klingen wie nichts anderes auf der Welt. Mit dem zweiten Song „Happiness“verströmt die Band Endorphine satt. Saxofonist John Waugh garniert den Song mit seinem Spiel im Schatten. Meine Güte, klingen The 1975 gut! Die weichen Melodiebögen ihrer perfekt arrangierten Stücke sind echte Ohrschmeichler. Kein Wunder, dass sich The 1975 längst zu einer der wichtigsten Bands der britischen Insel gemausert haben. Ihr Set besteht aus zwei Teilen: einem Show-Act und einem ausgelassenen Konzert. Im ersten Teil fühlt man sich wie der Gast im Film von The 1975. Wenn Healy zu „A Change Of Heart“im ersten
Stock das Fenster Richtung Backstage öffnet und man ihm auf den Leinwänden links und rechts neben der Bühne beim Aus-dem-Fenster-Schauen zusehen kann, hat das was von Kino. Wodka oder Wasser? Das fragt man sich, als er eine Buddel öffnet. Wir vermuten erstes und hoffen auf Letzteres, schließlich ist sein früherer Missbrauch einiger Substanzen hinreichend dokumentiert. Sowieso hat der sonst so kluge Healy immer etwas von einem kaputten, taumelnden
Typen, was seine jungen Fans allerdings nicht davon abhält, ihn anzuschmachten. Zwei Mädchen in Bikini-Oberteilen aus der ersten Reihe haben sich die Songtitel auf die Brüste geschrieben, bemerkt Healy ganz cool.
Dann wird es ungemütlich. Menschen in weißen Kitteln entfernen alles Kuschelige des Inventars. Die Band verzieht sich, und Healy spielt „Be My Mistake“als Solo auf der Akustikklampfe. Ein intimer Moment. Das Publikum klatscht den Rhythmus. Aber Healy ist kein People-Pleaser: „Das ist ein wirklich trauriger Song“, unterbricht er. „Wenn ihr in dieses besondere Lied hineinklatscht klatscht, fühlt es sich immer sarkastisch an.“Am Ende des Show-Teils wird Healy von einem der Fernseher verschluckt.
Mit dem Konzertteil des Abends geht die Party dann richtig los. „Ladies and Gentlemen, you are watching The 1975, still at their very best“, meint Healy nach seiner Rückkehr auf die Bühne und präsentiert mit der Band die Hits, die wie ihre verträumte Interpretation des Pop-Rock der 80er rüberkommt. Die ganze Arena hüpft zu „The Sounds“und schwelgt zu „Somebody Else“. Und Healy wird immer lustiger. „‚Ich hatte Sex zu deinen Songs‘, steht auf dem Schild dort“, merkt er an. „Wenn ihr Sextipps von mir wollt: kein Einsatz der Hüfte! Das ist mein Tipp an alle Typen.“Healy macht seine Art des Liebesspiels auf dem Bühnenboden als Trockenübung gleich mal vor. Die Meute lacht. Wie passend, dass The 1975 als vorletzten Song das rockige „Sex“spielen. Ein grandioser Abend. Und bitte bald mehr davon.