Hamburger Morgenpost

„Wir sollten Habeck weiter featuren"

INTERVIEW Der Hamburger Musiker Stoppok über Politiker mit Herz, den Rechtsruck in Deutschlan­d und Konzerte in Krisenzeit­en

- Das Interview führte KATJA SCHWEMMERS

Liedermach­er, Multiinstr­umentalist und Rockmusike­r: Stefan Stoppok (68) begibt sich für sein 20. Studioalbu­m in die „Teufelsküc­he“, wo er mit prominente­n Mitstreite­rn wie Olli Schulz, Cäthe, Alin Coen, Hannes Ringlstett­er und Fortuna Ehrenfeld sein ganz eigenes Süppchen kocht. Denn wie alle anderen klang der Hamburger mit Ruhrpott-Prägung ja eh nie. Seine Texte zeugen von Humor in der Krise, seine Musik klang immer schon erstaunlic­h internatio­nal. Im MOPO-Interview erzählt Stoppok vom Aufbäumen gegen rechts, den Märchen um den Tod und warum ihn kleine Clubs glücklich machen.

MOPO: Herr Stoppok, im vergangene­n November sind Sie auf eine Tournee mit 35 Konzerten gestartet. Plagten Sie nach Ihrem Herzinfark­t Ende 2022 Zweifel, ob Sie das packen?

Stefan Stoppok: Nicht in Bezug auf mein Herz. Ich hatte vor den herumschwi­rrenden Viren Angst und eigentlich fast schon erwartet, dass ich zwischenze­itlich wieder ausfallen würde. Das war aber zum Glück nicht so. Ich konnte alle Konzerte mit voller Energie spielen. Es war eine Riesenfreu­de, dass wieder so viele Leute in die Konzerte geströmt sind. Zwei Drittel der Tour waren ausverkauf­t, und es herrschte überall eine euphorisch­e Stimmung. Man konnte spüren, dass die Anwesenden sehr froh waren, dass ich wieder die Bühne rocke. Weiß man es in Zeiten von Inflation und einer allgemeine­n gesellscha­ftlichen Verstimmun­g noch mehr zu schätzen, wenn Leute zu den Shows kommen?

Klar. Noch vor ein paar Monaten war ich mir nicht so sicher, wie das Publikum reagieren würde. Aber ich habe festgestel­lt, dass es durch die gesellscha­ftlichen Herausford­erungen und Unsicherhe­iten immer mehr Menschen gibt, die auf der Suche nach Situatione­n sind, in denen ihnen nichts vorgemacht wird. Gerade in den Clubs haben die Leute am ehesten die Möglichkei­t, ungefilter­t zu sehen, was da auf der Bühne passiert und was der Künstler wirklich meint.

Gesellscha­ftliches greifen Sie auch gerne humorvoll in Ihren Songs auf wie in dem munteren Pfeiflied „Wir pfeifen (Das letzte Loch)“. Erwarten die Leute vielleicht sogar von Stoppok, dass er einmal mehr die Finger in die Wunde hält?

Keine Ahnung, aber ich stehe natürlich dafür, dass ich mich nicht vor irgendeine­n Karren spannen lasse. Und es fließt natürlich alles ein, was gerade gesellscha­ftlich abgeht.

Derzeit kommt es auf den Straßen der Städte zu einem Aufbäumen gegen rechts. Glauben Sie, dass das eine Art Bewegung werden

köönnte wie „Fridays for Future“?

Erst mal ist es natürlich ein wunderbare­s Zeichen und lässt alle hoffen. Ich glaube aber, die größte Schwierigk­eit wird sein, dass wir uns auf eine Gegenparte­i einigen müssten, um unsere Demokratie zu erhalten und um einen festen Gegenpol zu schaffen. Ich bin davon überzeugt, dass es viel mehr intelligen­te und friedliche Menschen in diesem Land gibt als die eher dummen Mitläufer, die sich durch irgendeine Propaganda aufscheuch­en lassen. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass Menschen mit Hirn sehr unterschie­dliche Vorstellun­gen haben und sich schwerer auf etwas einigen können. Ich finde, wir sollten jemanden wie Robert Habeck weiter featuren. Da werden aber bestimmt einige aufschreie­n. Für mich ist er einer der wenigen, bei denen ich noch menschlich­e Züge erkennen kann.

Ihr neues Album „Teufelsküc­he“spiegelt auch wider, durch was Sie persönlich gegangen sind. Sie meinen einen Song wie „Vom Tod kein Wort“, oder? Den habe ich lustigerwe­ise mindestens ein Jahr vor meinem Infarkt geschriebe­n.

In dem Stück kritisiere­n Sie, dass der Tod immer noch Tabuthema ist. Haben Sie sich viel damit beschäftig­t?

Oh, ja, darüber habe ich mir immer schon viele Gedanken gemacht. Mein Vater starb, als ich zwölf Jahre alt war. Das war ein Schock, und seitdem war der Tod immer ein Thema. Ich habe auch mal zwei Jahre als Krankenpfl­eger gearbeitet, auch da hatte ich viel mit dem Tod zu tun – mich hat das immer fasziniert. Ich glaube, dass er verdrängt wird, weil sich keiner vorstellen kann und will, dass man dann einfach weg ist. Aus, Ende, dunkel. Wohl um die Menschen zu beruhigen, wurden so viele Märchen von Wiedergebu­rt, Himmel und Engeln erfunden. Mir persönlich macht es keine Angst, einmal nicht mehr da zu sein.

Haben Sie in Ihrem Leben etwas eu justiert?

c h war schon immer so d rauf. Ich fand schon immer, ass sich die meisten Menchen viel zu wichtig nehen, gerade in Künstlerkr­eien. In Anbetracht des Toes d ist das eher lächerlich. L etztens fragte mich jeand, ob ich es nicht toll nde, dass ich durch meine usik der Nachwelt etwas interlasse­n würde. Meine A ntwort war, dass es mir völlig egal sei und ich der Vorstellun­g nichts abgewinnen kann.

Das neue Album schließt mit „Wo man hingehört“. Welchen Stellenwer­t haben Familie und Freunde in Ihrem Leben? Ist Musik vielleicht am Ende doch gar nicht so wichtig?

Musik ist die beste Nebenbesch­äftigung der Welt, hat, glaube ich, mal jemand gesagt. Leben, Familie, Freunde sind das Wichtigste, das ist klar. Ohne Musik könnte ich leben, ohne andere Menschen nicht. Musik kann einem aber den Weg zur Liebe und zu anderen Menschen ebnen. Das ist das Schöne.

Sie haben mit Alin Coen, Olli Schulz und Fortuna Ehrenfeld diesmal bemerkensw­ert viele Gäste auf der Platte. Warum?

Die erste Idee war, eine reine Duett-Platte mit überwiegen­d Coverversi­onen aufzunehme­n. Die Idee verwarf ich dann aber schnell wieder, weil ich so viele eigene neue Stücke hatte. Im Zuge der Produktion merkte ich jedoch, dass einige Songs förmlich nach einem Gesangspar­tner oder -partnerin schreien. Auch das hatte eine gewisse Eigendynam­ik, gegen die ich mich nicht stellen wollte.

➤ Fabrik: 16.3.24, 20 Uhr,

47 Euro

Für mich ist Habeck einer der wenigen, bei denen ich noch menschlich­e Züge entdecken kann.

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Am 16. März tritt Stoppok in der Fabrik in Ottensen auf.
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Sein aktuelles 20. Studioalbu­m heißt „Teufelsküc­he“.

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