TikTok wird immer mehr zum politischen Faktor
Unternehmen ruft Nutzer in den USA zu Protesten auf. Druck auf Mobilfunk-Firma Huawei wächst
WASHINGTON/BERLIN – Ursprünglich als App für Tanzvideos gestartet, hat sich TikTok vor allem bei jungen Menschen zu einem Hit entwickelt. In den USA zeigt das chinesische Unternehmen nun erstmals offen seine politische Macht. In Deutschland steht derweil ein anderes chinesisches Unternehmen zunehmend im Fokus: Huawei.
TikTok wird in Deutschland vor allem von der AfD genutzt. Sie ist dort präsenter als alle anderen Parteien zusammengenommen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat deshalb nun angekündigt, als erster Bundesminister die Plattform mit 21 Millionen deutschen Nutzern im Monat ebenfalls zu „bespielen“. Er wolle dort „ein gutes Gegengewicht“zur AfD bilden.
Interessant: Lauterbach betont, dafür nicht sein Diensthandy nutzen zu wollen. Denn TikTok steht im Verdacht, Nutzerdaten illegal auszuspähen und an das autoritäre kommunistische Regime in Peking weiterzuleiten. Aus genau diesem Grund arbeiten Demokraten und Republikaner im US-Kongress momentan gemeinsam an einem Ultimatum an TikTok: Das Gesetz soll dem (chinesischen) TikTok-Eigentümer Bytedance knapp sechs Monate Zeit geben, die Kontrolle über die populäre App abzugeben. Ansonsten drohe TikTok die Verbannung aus den AppStores in den USA. TikTok hat daraufhin zu einem Mittel gegriffen, das es so bei sozialen Netzwerken noch nicht gegeben hat: Es mobilisierte seine US-Nutzer mit der Warnung vor einem Aus der App. „Der Kongress plant ein totales Verbot von TikTok“, hieß es in einer Benachrichtigung des Dienstes. Dazu gab es auf dem Display einen Knopf, um die Abgeordneten aus dem jeweiligen Wahlbezirk der Nutzer anzurufen. Die Folge: Zahlreiche Abgeordnete mussten ihre Telefonanlagen zeitweise ausschalten, weil über Stunden Tausende von Anrufen eingingen.
Schon Donald Trump wollte TikTok aus den USA verbannen, scheiterte aber letztlich. Die EU-Kommission hat schon vor einiger Zeit ein Verfahren gegen TikTok eingeleitet. Dort geht es aber vor allem um mangelnden Jugendschutz, die Frage, ob der TikTok-Algorithmus gezielt abhängig macht, und welche Rolle die App bei Radikalisierungsprozessen spielt. In Berlin steht momentan aber noch ein anderes chinesisches Unternehmen im Mittelpunkt: Huawei. Der chinesische Mobilfunkkonzern ist maßgeblich am Aufbau des 5G-Netzes in Deutschland beteiligt. Auch diese Firma steht im dringenden Verdacht, Informationen für das chinesi
sche Regime zu sammeln. Deshalb hat das Bundesinnenministerium die Telekom, Vodafone und O2 angewiesen, bis Anfang 2026 alle HuaweiKomponenten aus ihrem Kernnetz auszubauen. Doch das geht einigen im Lichte der jüngsten Abhöraffäre um den Taurus und die Bundeswehr nicht schnell genug. „Mit zunehmenden Cyber-Attacken sehen wir, wie zentral eine sichere digitale Infrastruktur ist“, sagte Robert Habecks (Grüne) Wirtschaftsstaatssekretärin der „SZ“. „Jeder Tag, den wir abwarten, macht uns verwundbarer.“Es gelte, Spionage und Sabotage schon beim Ausbau der neuen Netze zu verhindern. Allerdings: Bisher passiert nichts. Denn Digital-Minister Volker Wissing (FDP) fürchtet um einen raschen Ausbau der modernen Netze. Er wolle den einschlägigen Unternehmen deshalb nur „ins Gewissen reden“, heißt es aus seiner Umgebung.