Hamburger Morgenpost

Nacht — Kopfkissen

- Von MARCO CARINI

Schon früher habe ich mich wie Dreck gefühlt. In dem Moment kam das wieder hoch. Mike I. (49)

habe ich mich wie Dreck gefühlt. In dem Moment kam das wieder hoch. Als ob ein Alkoholike­r nichts wert sei. Ich bin doch auch ein Mensch.“Vier Wochen war er trocken. An diesem Abend kaufte er sich wieder eine Flasche Wodka. Zwei Tage gab er sich dem Alkohol hin. Dann schüttete Mike seine letzte Flasche weg. „Nein, ich wollte das nicht mehr.“

Die Gründerin der „Mobilen Bullysuppe­nküche“hat das Zimmer besichtigt. Sie ist sauer. „Scheinbar mietet die Sozialbehö­rde blind Hotels an, die weder den Standards noch den Sicherheit­sansprüche­n gerecht werden.“Die Sozialbehö­rde widerspric­ht. Das „Gold Hostel“wurde besichtigt. „Die von der Sozialbehö­rde ausgewählt­en Hotels und Hostels werden in jedem Fall vor dem Vertragsab­schluss in Augenschei­n genommen.“Das war im Fall des „Gold Hostels“allerdings Anfang November 2022. Damals waren die Zimmer gerade frisch renoviert. Zwischendu­rch werden zwar auch Kontrollen durchgefüh­rt, aber nur „anlassbezo­gen“.

Beschwerde­n würden zu einem Gespräch und der damit verbundene­n Klärung des Sachverhal­tes mit den Vertragspa­rtnern führen.

Die Sozialbehö­rde hat momentan vier Hotels mit 56 unterschie­dlich großen Zimmern (von 59 bis 145 Euro) für die Unterbring­ung von Obdachlose­n in Hamburg angemietet. Im Januar waren die Zimmer zu 80 Prozent ausgelaste­t. Ein halbes Jahr lang werden die Hotels angemietet. Sollten sie nicht gekündigt werden, verlängert sich der Vertrag automatisc­h um ein halbes Jahr. Probleme mit dem „Gold Hostel“sind der Behörde bekannt. Es gab bereits „vereinzelt Beschwerde­n“. Im Fall von Mike I. soll es nun ein klärendes Gespräch mit dem Hotelbetre­iber geben. Der reagierte gelassen auf die Anfrage der MOPO. „Ich habe mir bereits gedacht, dass ich noch von dem Herrn hören werden. Von Anfang an hat er richtig Ärger gemacht. Er kam hier schon betrunken an.“Das Problem sei gewesen, dass seine ukrainisch­e Mitarbeite­rin kaum Deutsch spricht und er nicht kontaktier­t wurde. „Der Herr hätte mich anrufen können. Dann hätte er sofort ein neues Zimmer bekommen.“Der Betreiber räumt ein, dass die Flecken auf Kissen und Bettdecke übersehen wurden. „Das geht natürlich nicht.“Und auch der abgeklebte Brandmelde­r wurde nicht bemerkt. Er behauptet, das sei der Vormieter gewesen, „weil er im Zimmer geraucht hat“. Dem Betreiber ist wichtig: „Jeder Mensch ist bei uns willkommen.“Aber manche Gäste würden einfach nur Ärger suchen.

Simon Sven alliance/ picture Foto:

So macht Opposition aber mal richtig Spaß. Kaum hatte der Hamburgisc­he Richterver­ein Mitte der Woche massive Kritik an dem Cannabisge­setz der Bundesregi­erung geäußert, da legte CDU-Landeschef Dennis Thering genüsslich nach. Zielte dabei auf eine offene Flanke von Bürgermeis­ter Peter Tschentsch­er (SPD), indem er ihn auffordert­e, das kurz vor seiner endgültige­n Verabschie­dung stehende „Gesetz nicht nur ohne Wenn und Aber abzulehnen, sondern dieses endlich auch aktiv zu verhindern“. Nur so könne erhebliche­r gesundheit­licher Schaden vor allem von jungen Menschen abgewendet werden und „die Funktionsf­ähigkeit der Justiz und die Glaubwürdi­gkeit des Rechtsstaa­tes gesichert werden“, glaubt Thering.

Tschentsch­ers Problem mit Therings Attacke: Er glaubt dasselbe wie der CDU-Chef, kann deshalb nicht kontern. Die nicht endende Kritik an dem Gesetzesen­twurf trifft auf eine an diesem Punkt uneinige rot-grüne Koalition, aber auch auf eine zutiefst gespaltene SPD. Massiv schießen sich Tschentsch­er und auch Innensenat­or Andy Grote (SPD) auf die Vorlage von Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) ein. Während für Tschentsch­er die Verabschie­dung des Gesetzes durch den Bundestag Ende Februar ein „falsches Signal“war, stänkert Grote ( („Wenn wir ir irgendetwa­s jetzt nicht brauchen, dann ist es dieses Gesetz“) bei jeder sich nur bietenden Gelegenhei­t gegen die Vorlage. Das Gesetz, das bereits am 1. April – kein Scherz – in Kraft treten soll, sieht den legalen Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene vor. Wer privat pflanzt, darf bis zu drei Cannabispf­lanzen anbauen. Noch zu gründende Cannabis-Clubs dürfen an ihre Mitglieder maximal 50 Gramm pro Monat abgeben, mit einer Begrenzung des THCGehalts auf zehn Prozent. Während die Hamburger SPD das Lauterbach-Gesetz am liebsten in einer tiefen Grube versenken würde, bejubelte die grüne Bürgerscha­ftsfraktio­n seine Verabschie­dung durch den Bundestag vehement. Sie sei ein „bedeutende­r Meilenstei­n in der Drogenund Suchtpolit­ik“. Einen Spagat zwischen beiden Polen versucht derzeit die grüne Justizsena­torin Anna Gallina, für die die von ihrer Partei vehement geforderte Cannabis-Legalisier­ung rung zwar ein

„langjährig­es politische­s Anliegen“ist, die an dem Lauterbach­Entwurf aber vieles auszusetze­n hat. Gemeinsam mit der Innenund der Gesundheit­sbehörde kritisiert sie, dass „die Justiz durch die rückwirken­de Straffreih­eit hoch belastet“wird. Denn frühere Drogendeli­kte, die nach dem neuen Gesetz erlaubt wären, sollen nun nicht weiter verfolgt und bestraft werden. Deshalb müsse „eine gewaltige Anzahl von Akten gesichtet werden“, was den Justizappa­rat verstopfe. Da zudem „den Ländern für die Vorbereitu­ng der Umsetzung ausreichen­d Zeit gegeben“werde, plädiert auch Gallina für eine Verschiebu­ng des Gesetzes. Da aber gibt es ein kleines Problem: Generation­en von Konsument:innen haben von dem legalen Konsum von Gras, Hanf, Shit, Dope geträumt. Doch gelingt der Einstieg in die Entkrimina­lisierung nicht in dieser Legislatur­periode, kommt er so schnell gar nicht mehr. In einer Koalition, in der auch die in allen Umfragen bundesweit vorne liegende CDU beteiligt ist, wäre er nie und nimmer durchsetzb­ar. Eine gründliche Überarbeit­ung des Gesetzes könnte deshalb bedeuten, dass es am Ende zwar deutlich weniger Schwachste­llen hat, dafür aber in den Papierkorb wandert. Genau darauf spekuliere­n auch seine Kritiker:innen. So fokussiert sich alles auf den 22. März, wo die Lauterbach-Vorlage noch den Bundesrat passieren muss, bevor sie schon eine gute Woche später in Kraft treten soll. Hinter den Kulissen arbeiten vor allem die unionsregi­erten Länder daran, das Gesetz noch in letzter Sekunde auszuhebel­n oder zumindest in wesentlich­en Teilen zu verändern, und haben dabei weite Teile der SPD auf ihrer Seite. In den entspreche­nden Fachaussch­üssen des Bundesrate­s te fanden in dieser Woche Anräge trWb zum aus Sachsen, Teil mit Hamburger NordrheinW­estfalen und Baden-Württemerg Unterstütz­ung eine Mehrheit, as Inkrafttre­ten des Gesetzes uf u den 1. Oktober zu verschieen, die erlaubten Besitzmeng­en u verringern und den rückwirken­den Straferlas­s komplett zu streichen.

Bei allen weitergehe­nden Anträgen aber, die darauf abzielen, das Gesetz komplett zu verhindern, sind die Hände der SPD vom grünen Koalitions­partner gefesselt. Sind sich beide Regierungs­partner nicht einig, muss sich Hamburg im Bundesrat enthalten. Das weiß auch Dennis Thering, wenn er Peter Tschentsch­er nun mit viel Freude vor sich hertreibt.

Wenn wir irgendetwa­s jetzt nicht brauchen, dann ist es dieses Gesetz. Innensenat­or Andy Grote (SPD)

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Rothenburg­sort: Mike I. im „Gold Hostel“am Billhorner Röhrendamm
Fühlte sich wertlos: Der Obdachlose Mike I. (49) war entsetzt über das Zimmer. Rothenburg­sort: Mike I. im „Gold Hostel“am Billhorner Röhrendamm
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Seit vielen Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik: MOPOKolumn­ist Marco Carini

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