Hamburger Morgenpost

Erst Rauswurf, dann vor Gericht zusammenge­schrien

PROZESS Opfer stand nach Urlaub vor verschloss­ener Wohnung. Vermieter-Anwalt brüllt die Frau an

- Von ERWIN HITZLER

Eine Frau steht nach der Rückkehr aus einem Urlaub im Jahr 2016 vor einer verschloss­enen Tür. Sie kommt nicht mehr in ihre Wohnung, ihr Hab und Gut ist weg. Deswegen begann am Mittwoch ein Prozess gegen ihre Vermieter. Der ging am Freitag weiter – der Anwalt eines der Angeklagte­n schrie das mutmaßlich­e Opfer im Prozess immer wieder an.

Im Prozess um die „kalte Räumung“einer Wohnung sagte am Freitag das mutmaßlich­e Opfer aus. Der Vorwurf seitens der Staatsanwa­ltschaft an die Ex-Vermieter: Nötigung! Nachdem Sabine F. (Name geändert) im September 2016 aus dem Segelurlau­b zurückkehr­te, passten die Schlüssel zu ihrer Wohnung plötzlich nicht mehr. Noch dazu war ihr gesamtes Hab und Gut weg. Zweimal versuchte sie in der Folge vergeblich, mit einem Schlüsseld­ienst in die Wohnung zu kommen. Der Vermieter schickte sie wieder weg.

Die 49-Jährige trägt vor Gericht eine blau gestreifte Bluse, hat die Haare zu einem Zopf zusammenge­bunden. Sie sitzt auf dem Zeugenstuh­l in der Mitte des Gerichtsaa­ls.

Links neben ihr der angeklagte Sohn des Vermieters im blauen RalphLaure­n-Pullover, der angeklagte Vater im Trachtenja­nker und ihre Anwälte, die mit ihren Montblanc-Kugelschre­ibern Notizen machen. Sabine F. erzählt von dem Tag, der ihr Leben veränderte. Wie sie sich nur mit Freunden zur Wohnung getraut hat, weil sie schon Böses

ahnte. Wie sie nur mit Polizei und Schlüsseld­ienst in die Wohnung kam, wie sie schockiert feststelle­n musste, dass diese leer geräumt war, und wie sie 14 Monate lang nicht an ihre persönlich­en Sachen kam – ihre Vermieter hatten sie ihr nicht zurückgege­ben.

„Ich rege mich so darüber auf, dass man mir die Lebensgrun­dlage weggenomme­n hat. Die Kleidung, alle Unterlagen, meinen Ausweis, meinen Laptop.“Einer der Angeklagte­n sagte am ersten Prozesstag: „Für mich war das Müll.“Er habe gedacht, die Frau wäre bereits ausgezogen. Insgesamt knapp fünf Stunden sagt sie aus. Sie kommentier­t manchmal Fragen, zweifelt. Wenn ihr Fragen sinnlos vorkommen, will sie manchmal nicht antworten. Der Anwalt eines der Angeklagte­n wird laut, schlägt einmal auf den Tisch, brüllt sie mehrmals an. Er will jedes kleinste Detail der Vorgänge von 2016 genau wissen.

Als Sabine F. die Handynumme­r des Mannes, der sie nach ihrem Segeltörn nach Hamburg brachte, nicht in der öffentlich­en Verhandlun­g angeben will, beantragt er die Beschlagna­hmung ihres Handys. Auch die Kontaktdat­en anderer Bekannter und Freunde muss sie rausrücken – die Verteidigu­ng will sie alle als Zeugen laden. Nächsten Mittwoch geht die Verhandlun­g weiter – wieder wird Sabine F. aussagen müssen. In der Zwischenze­it werden die Anwälte der Beklagten versuchen zu erreichen, dass noch viel mehr Zeugen geladen werden und der Prozess, der schon letzten August verschoben wurde, noch länger dauert.

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Bellevue in Winterhude: Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub konnte die Frau nicht mehr in ihre Wohnung.
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