Hamburger Morgenpost

„Manchmal braucht man auch Wut“

INTERVIEW Hamburg-Rückkehrer­in Antje Schomaker will jedem Gefühl eine Chance geben

- Das Interview führte STEFAN DÜSTERHÖFT

Singer/Songwriter­in Antje Schomaker (32) macht Popmusik mit Tiefgang und Emotion, eingängige Hits mit intelligen­ten Texten. Ende kommender Woche tritt sie im Uebel & Gefährlich auf. MOPOP sprach mit ihr über ihren Rückzug nach Hamburg, ihre aktuelle Platte und über das Gefühl, wenn die musikalisc­he Jugend-Heldin plötzlich beim eigenen Song mitmacht.

Du bist vor einigen Jahren von Hamburg nach Berlin gezogen – und jetzt wieder zurück. Wie kommt’s?

Antje Schomaker: Ich habe drei Jahre in Berlin gewohnt und es ist auch wunderschö­n, wenn man dort für ein Wochenende zu Besuch ist.

Aber so auf die Dauer hat sich das irgendwie nicht wie ein Zuhause angefühlt. In meiner letzten Berlin-Zeit bin ich dann fast jedes Wochenende nach Hamburg gefahren – und dann hab ich mich entschiede­n, wieder zurückzuzi­ehen. Das war auf alle Fälle die richtige Entscheidu­ng und fühlt sich richtig gut an. Ich hab die Möwen einfach so vermisst – und jetzt hab ich sie wieder. (lacht)

Neben den Möwen: Was ist hier besser als in der Hauptstadt?

Da gibt es echt viele Dinge. Grundsätzl­ich gibt mir Hamburg ein Gefühl von Freiheit. Ich mag es auch sehr, dass die Distanzen so viel kürzer sind – man kann sich hier einfach viel schneller mit Leuten treffen. Und natürlich Hamburgs Musikszene. Ich liebe die Liveclubs hier.

Nächste Woche Freitag trittst du mit deinem aktuellen Album „Snacks“im Uebel & Gefährlich auf. Beim Durchhören hat man den Eindruck: Das ist eine Platte mit sehr persönlich­en Texten.

Das stimmt. Ich hatte eine Phase in meinem Leben, in der ich sehr überlastet war. Wo ich gemerkt habe, dass mir alles zu viel wird. Dazu hatte ich eine sehr ungesunde Beziehung mit einem Menschen, der viel psychische Gewalt ausgeübt hat, den ich dann leider auch anzeigen musste. Ich habe das therapeuti­sch aufgearbei­tet – und gleichzeit­ig mehr Menschen um mich geholt, die mich auffangen konnten. Und ich habe diese Phase auch in meiner Musik verarbeite­t.

Wie wichtig ist es dir, dass deine Songs eine Message haben, die vielleicht auch anderen in ähnlichen Situatione­n Mut machen? Mir ist es sehr wichtig, dass man jedem Gefühl eine Chance gibt. Ich glaube nicht, dass man alles immer positiv sehen muss. Man braucht manchmal beispielsw­eise auch Wut, um sich von Dingen zu lösen – und auch dieses Gefühl möchte ich Menschen mitgeben, die meine Musik hören. Ich glaube, dass es in jedem Fall empowernd ist, wenn man merkt, dass jedes Gefühl irgendwie in Ordnung ist. Das soll auch ein bisschen die Message meiner Songs sein. Du hast dich in den letzten Jahren immer wieder zum Thema Vielfalt und Gleichbere­chtigung in der Musikszene geäußert – beispielsw­eise dazu, dass viele Festivals immer noch ein sehr männlich und hetero-geprägtes Line-up haben. Spürst du da mittlerwei­le eine Veränderun­g in eine positive Richtung?

Ich spüre vor allem eine Veränderun­g in mir: dass ich nicht mehr so viel darüber reden möchte, weil ich glaube, dass das jetzt auch mal andere machen dürfen. Warum müssen es immer die Künstlerin­nen sein, die sich dazu äußern? Künstlern soll

Ich hab die Möwen einfach so vermisst – und jetzt hab ich sie wieder. Antje Schomaker

te das auch wichtig sein und die sollten auch was dazu sagen.

Mitten in der Pandemie hast du über 100 Künstlerin­nen zusammenge­trommelt und mit denen den Song „Auf Augenhöhe“gemacht – in dem es eben um das Thema Gleichbere­chtigung geht. Mit dabei war da auch Eva Briegel, die Frontfrau der Band Juli. Die ist jetzt auch im Song „Irgendwohi­n“auf deinem Album zu hören. Wie kam das?

Als ich „Irgendwohi­n“geschriebe­n habe, hatte ich immer wieder ihre Stimme im Kopf – und dachte: Wie krass wäre es, wenn eine meiner Jugend-Heldinnen, Eva Briegel, da mitmacht? Ich hab früher bei „Regen und Meer“immer traurig aus dem Fenster geguckt, in der siebten Klasse hab ich zu „Geile Zeit“getanzt – ich verbinde echt viel mit dieser Musik. Und dann hab ich sie zum Kaffee getroffen und ihr danach den Song geschickt. Und sie hat direkt gesagt, dass sie dabei ist. „Hat mich Juli-mäßig abgeholt“, hat sie mir geschriebe­n. Und ich hatte Gänsehaut am ganzen Körper. Für mich ist das eine krasse Ehre.

Auf deinem Album ist auch ein Cover: „Alles neu“von Peter Fox. Wie ist das entstanden?

Bei unseren Konzerten covern wir immer einen Song und da kam uns „Alles neu“in den Sinn. Mein Gitarrist Felix Gerlach und ich sind dann ins Studio gegangen, um den Song für meine Band einzuspiel­en und zu arrangiere­n – einfach damit wir dieses Cover live umsetzen können. Es ging also erst mal gar nicht darum, das rauszubrin­gen. Und dann hat uns der Song so viel Spaß gemacht, dass wir ihn doch produziert und Peter Fox geschickt haben. Und der meinte: Klar, könnt ihr machen. Ich hab da zuerst gar nicht drüber nachgedach­t, was das eigentlich für ein krasser Hit ist, an den ich mich da rangewagt habe. Ich hatte einfach nur Bock, eine meiner Jugendhymn­en in mein Gewand zu packen – so ein bisschen Indie-Discomäßig. Und ich lieb’s.

Antje Schomaker live: Freitag, 15.3., Uebel & Gefährlich, Beginn: 20 Uhr, Tickets ab 33,95 Euro

Mir ist es sehr wichtig, dass man jedem Gefühl eine Chance gibt. Antje Schomaker

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Von der Spree zurück an der Elbe: Singer/ Songwriter­in Antje Schomaker

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