Hamburger Morgenpost

Mehr als bloß ein Kreisel

HORN Früher war der Stadtteil ein Villenvier­tel. Davon ist nicht mehr viel übrig. Schöne Ecken gibt es trotzdem

- PAULINE REIBE pauline.reibe@mopo.de

Ein großer Kreisel, stark befahrene Straßen und haufenweis­e gleich aussehende Wohnhäuser: Damit verbinden viele Hamburger den Stadtteil Horn. Hier treffen auf engstem Raum unterschie­dliche Kulturen, Identitäte­n und Nationalit­äten aufeinande­r. Doch Horn ist mehr als nur Mehrfamili­enhäuser und Sozialwohn­ungen. Wer hätte vermutet, dass sich hier die älteste (und wahrschein­lich schönste) erhaltene Kirche im Osten Hamburgs befindet? Und dass der Brennpunkt­stadtteil früher mal ein Villenvier­tel war?

„Als Erstes will ich Ihnen zeigen, wie grün unser schöner Stadtteil ist“, sagt Gerd von Borstel (71), der die MOPO-Reporter durch Horn führt. Es ist ein undankbare­r Tag für eine Tour durch einen Stadtteil, der von den meisten als öde abgestempe­lt wird: Anders als im Wetterberi­cht vorausgesa­gt kippt der Himmel immer wieder literweise Wasser runter und noch dazu stürmt es von links und rechts, vorne und hinten.

Von Borstel lässt sich nicht beirren. „Schauen Sie hier“, er deutet auf eine Bank auf einer großen Wies se im Blohms Park an der Ho orner Landstraße. „Die nimm mt die Töne der Fledermäus­e in n der stärkt Horner sie. Geest Man auf kann und versich abends In Blohms draufsetze­n Park befi und dzundet hören.“sich ein Relikt aus der Gründungsz­eit Horn ns. Der Stadtteil war frühe er nämlich das Villenvier­tel - Hamburgs. Damals ließen die reichen Kaufleute sich ihre Sommerhäus­er in die noch unberührte Landschaft bauen. Eine dieser Villen wurde im 19. Jahrhunder­t für einen Senator gebaut. Sie gehörte zuletzt Friedrich Blohm, dem Bruder des namhaften - Werftenbes­itzers. „Heute sind in dem neu errichtete­n Hau us raine Mütter geflohen und Kinder sind“, unter e rkrgebrach­t, die aus der Uk zählt Gerd von Borstel .

Er berichtet, dass sich der Charakter des Stadtteils sehr verändert hat, seitdem er 1957 mit seinen Eltern hierherzog. Multikulti war hier aber schon immer angesagt. „Die ersten Gastarbeit­er kamen früh. Heute leben hier Polen, Russen, Ukrainer, Afrikaner, Menschen aus dem arabischen Raum und viele mehr. Auch viele Flüchtling­e wurden nach der Flut in Hamburg hier untergebra­cht“, berichtet von Borstel, während er die MOPOReport­er durch die Wohngebiet­e führt. Vom Villenchar­akter des 19. und beginnende­n 20. Jahrhun

Viele Horner sind stolz auf die wohl älteste erhaltene Kirche im Hamburger Osten. Gerd von Borstel

derts ist nicht mehr viel übrig, heute reiht sich hier ein Wohnblock an den anderen. Der nächste Regenschau­er ist noch heftiger und der Ur-Horner schlägt vor, mit dem Auto zum Stadtteilh­aus an der Straße Am Gojenboom zu fahren. Mit seinen 5,8 Quadratkil­ometern ist Horn so groß, dass man es nicht mal eben schnell zu Fuß ablaufen kann – vor allem nicht bei so einem Schietwett­er. 38.569 Menschen leben hier, davon 54,7 Prozent mit Migrations­hintergrun­d (Hamburg-Durchschni­tt: 37,4 Prozent). Bei den unter 18-Jährigen sind es 76,2 Prozent (Hamburg: 53,4 Prozent). Am Stadtteilh­aus mit Namen „Horner Freiheit“angekommen sticht nicht etwa die neue Fassade des Gebäudes ins Auge, sondern die große Baustelle, die direkt daran grenzt. „Seit Monaten sind wir durch den Lärm gebeutelt“, berichtet Gerd von Borstel. „Besonders schlimm trifft es das Café May, dessen gesamte Terrasse weggerisse­n wurde.“Er berichtet davon, wie eine große Betonwandt unter täglich acht Stunden Dauerlärm plattgemac­ht wurde. „Der Stadtteil leidet sehr daruner“, sagt er. Im tadtteilha­us befinden fibefinden sich neben dem Café die Horner Bücheralle hBücherall­e und Kursäume. räKursäume. Nicht weit vom Sttadtteil­haus entrnt feentrnt liegt ein kleines Horner Juwel. Die Martinskir­che sieht von außen aus wie ein gewöhnlich­es Gotteshaus, doch drinnen finden sich Wandmalere­ien, die genau wie die Decke aufwendig rekonstrui­ert wurden. Die Kirche wurde 1886 erbaut und steht seit 1998 unter Denkmalsch­utz. „Viele Horner sind stolz auf die wohl älteste erhaltene Kirche im Hamburger Osten“, sagt Gerd von Borstel. Noch etwas macht Horn besonders, und das ist die Rennbahn, die eigens für das Pferde-Derby gebaut wurde, das hier einmal jährlich stattfinde­t. Bereits seit 1869 gibt es das Rennen. Inzwischen sind hier auch Zirkusse und Veranstalt­ungen ansässig. Auch hierhin geht es mit dem Auto, als das Wetter es wieder zulässt. Auf der Wiese sind einige Menschen mit ihren Hunden unterwegs, tief im Gesicht die Kapuzen. „Die Rennbahn ist ein wichtiger Teil Horns“, so von Borstel. „Das Derby lockt jährlich zahlreiche Besucher.“

Hier, an der Rennbahn, endet die Tour durch einen Stadtteil, gegenüber dem viele nicht einmal Vorurteile haben, weil sie gar nichts darüber wissen. Dabei hat Horn einiges zu bieten. Sagt zumindest Gerd von Borstel.

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Gerd von Borstel ist ein Horner Urgestein.
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Für die U4 wird in Horn kräftig gebohrt.
 ?? ?? Die Martinskir­che wirkt von außen recht gewöhnlich und ist innen überrasche­nd schön.
Die Martinskir­che wirkt von außen recht gewöhnlich und ist innen überrasche­nd schön.
 ?? ?? Viele kennen Horn vor allem wegen des Kreisels vor der Autobahn.
Viele kennen Horn vor allem wegen des Kreisels vor der Autobahn.
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 ?? ?? Gerd von Borstel auf der Horner Rennbahn
Gerd von Borstel auf der Horner Rennbahn
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Das Haus Anker liegt direkt neben dem Rauhen Haus.
 ?? ?? Das Stadtteilh­aus liegt direkt an der U-Bahn-Baustelle. Darunter leidet vor allem das ansässige Café May.
Das Stadtteilh­aus liegt direkt an der U-Bahn-Baustelle. Darunter leidet vor allem das ansässige Café May.
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Früher war Horn ein Stadtteil voller Stadtville­n. Hübsche Wohnhäuser gibt es noch immer.
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