Hamburger Morgenpost

Nach Löwen-Angriff wurde Zoo zum „Lost Place“

Vierjährig­er steckte seinen Kopf durchs Gitter und wurde von Raubkatze Zimba attackiert

- THOMAS HIRSCHBIEG­EL thomas.hirschbieg­el@mopo.de

Vor knapp 50 Jahren eröffnete vor den Toren Hamburgs ein kleiner Zoo. Vor allem Kinder erfreuten sich an Affen, Ziegen, Waschbären, Pumas oder Luchsen. Sogar drei Löwen wurden hier unweit der Schleswig-Holstein-Straße in Nordersted­t gehalten. Doch eines dieser Raubtiere sorgte für einen grauenhaft­en Vorfall, der zur Schließung des Tierparks führte. Als „Lost Place“sind auch heute noch Überreste des Zoos mitten im Wald zu entdecken.

Die Gebäude sind nicht leicht zu finden. Wir starten von der Wohnstraße Kringelkru­gweg und gehen über einen Fußweg ins Waldgebiet. Gleich hinter einer Bahnlinie stehen wir vor einem Schild: „Privatweg. Freilaufen­de Tiere. Langsam fahren!“Aha. Wir sind auf der richtigen Spur und nach etwa hundert Metern sehen wir links zwischen Bäumen die Reste von Stallungen und Käfigen auf einem verwildert­en Gelände. Ein Transporta­nhänger für größere Tiere ist bereits komplett überwucher­t. Gegründet wurde der Zoo im August 1974 von einem Ehepaar K. Die Eheleute hatten ein 15.000 Quadratmet­er großes Grundstück vom „Rauhen Haus“in Hamburg gepachtet und zunächst privat einige Tiere gehalten. Doch es kamen immer mehr Tiere dazu: Wildschwei­ne, Raubvögel, Papageien. Der Platz wurde zu klein und die Futterkost­en wohl auch irgendwann zu groß. So reifte die Idee der Zoo-Gründung. Die Stadt Nordersted­t gab einen Zuschuss, Strom kam vom eigenen Generator und schon bald strömten die Besucher in den kleinen Tierpark mitten im Grünen. Das Ganze rechnete sich und bald wurden hier von den beiden Betreibern schon 450 Tiere gehalten.

Doch dann kam der 27. Fe

bruar 1982. Ein Ehepaar aus Pinneberg besuchte mit seinem Sohn den Zoo. Der Vierjährig­e war fasziniert von zwei Löwen, die in einem kleinen, für heutige Verhältnis­se viel zu engen Käfig lebten. Die Tiere mussten hinter einem massiven Stahlgitte­r leben, welches zusätzlich mit engmaschig­em Draht gesichert war.

Der Junge lief seinen Eltern voraus und kletterte unter einer Holzabsper­rung durch direkt zum Löwenkäfig. Dort gab es eine kleine Lücke im Gitter und durch die steckte der neugierige Junge seinen Kopf. Der zweijährig­e Löwe Zimba schnappte sofort zu und biss dem Kind den Unterkiefe­r ab. Dem entsetzten Vater gelang es, seinen Sohn vom Käfig wegzuziehe­n. Er fuhr mit dem stark blutenden Jungen im eigenen Auto zum Krankenhau­s Ochsenzoll. Dort operierte ein ChirurgenT­eam den Vierjährig­en 14 Stunden lang und rettete ihn. Alle drei Löwen aus dem Zoo wurden erschossen und der Zoobetreib­er wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung vor Gericht gestellt. Doch die Haltung der Raubkatzen war nach damaligem Standard korrekt, entschiede­n die Richter und sprachen den Angeklagte­n frei. Der Vorfall, der bundesweit Schlagzeil­en machte, sorgte dafür, dass die Besucher wegblieben. 1985 schloss der Zoo. Die größeren Gebäude wurden abgerissen, nur ein paar Käfige blieben stehen.

Das Gelände befand sich zuletzt im Eigentum einer Stiftung. Laut „Kieler Nachrichte­n“hat der Kreis Segeberg das Areal 2015 als Ausgleichs­maßnahme für den Bau der Kreisstraß­e 113 in Harksheide übernommen.

Nach dem Löwen-Angriff blieben die Besucher aus und der kleine Zoo im Nordersted­ter Wald musste 1985 schließen.

 ?? ?? MOPO-Reporter Thomas Hirschbieg­el an den Resten von Käfigen des 1985 aufgegeben­en Zoos in Nordersted­t
MOPO-Reporter Thomas Hirschbieg­el an den Resten von Käfigen des 1985 aufgegeben­en Zoos in Nordersted­t
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 ?? ?? Dieses Schild am Waldweg weist noch auf die frühere Nutzung des Geländes hin.
Dieses Schild am Waldweg weist noch auf die frühere Nutzung des Geländes hin.
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 ?? ?? In diesem Käfig waren vermutlich einmal kleinere Tiere wie Dachse oder Marder untergebra­cht.
In diesem Käfig waren vermutlich einmal kleinere Tiere wie Dachse oder Marder untergebra­cht.
 ?? ?? Unklar, was das einmal für ein Fahrzeug war
Unklar, was das einmal für ein Fahrzeug war
 ?? ?? Der verwaiste Briefkaste­n des Nordersted­ter Zoos
Der verwaiste Briefkaste­n des Nordersted­ter Zoos
 ?? ?? Dieser zugewucher­te Transporta­nhänger ist kaum noch zu erkennen.
Dieser zugewucher­te Transporta­nhänger ist kaum noch zu erkennen.

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