Hamburger Morgenpost

Corona riss Pascal aus dem Glück

LONG COVID 27-Jähriger aus Eimsbüttel wollte als Unternehme­r durchstart­en. Heute ist sogar der Abwasch zu anstrengen­d

- Von ERWIN HITZLER

Weihnachte­n 2022: Pascal Deinert aus Eimsbüttel freut sich, die Corona-Pandemie scheint vorbei zu sein. Er hat große Pläne. Mit seiner Freundin gründet er ein Start-up für nachhaltig­e Mode und will noch einmal studieren. Er ahnt nicht, was auf ihn zukommt. Ein Jahr später wird er kaum noch aus dem Bett aufstehen können. Diagnose: Long Covid. Länger als fünf Minuten kann er sich nicht bewegen.

Vergangene Woche waren sie einmal eine Currywurst essen. „Das war das Highlight der Woche, des Monats“, sagt Felicitas Bohm, Pascals Freundin. Er ist 27, sie 26 Jahre alt. Felicitas schob ihn im Rollstuhl zum Currywurst­stand. Bevor im März 2023 die ersten Symptome von Long Covid auftauchte­n, war das noch anders, sagt sie: „Er wäre verrückt geworden, hätte er nur einen Tag komplett in der Wohnung verbracht.“Pascal Deinert erzählt von seinen Reisen nach Südamerika, von seiner Liebe zum Sport, vom Start-up, das er mit Felicitas zusammen gegründet hat. Er wollte noch einmal studieren, Produktdes­ign lernen. Das alles ist vorbei: Er hat Long Covid. An schlechten Tagen kommt er nicht einmal aus dem Bett. Es gibt so einige schlechte Tage. Zu Fuß schafft er höchstens 200 Meter. Wenn überhaupt. Arbeiten kann er schon seit Juni 2023 nicht mehr. Long Covid ist für Forscher immer noch ein Rätsel. Betroffene leiden an anhaltende­n Symptomen wie Ermüdung, Atemproble­men und Konzentrat­ionsstörun­gen. Die Wissenscha­ft sucht noch nach genauen Ursachen und effektiven Behandlung­smethoden. Wie viele Menschen an Long Covid erkrankt sind, darüber sind sich die Studien uneinig. Fünf bis zehn Prozent der Corona-Erkrankten sollen es sein, weltweit etwa 65 Millionen Menschen. Allein in Deutschlan­d geht man von etwa einer Million Betroffene­n ausaus. Ein Symptom von Long Covid ist ME/CFS, ein chronische­s Erschöpfun­gssyndrom. Die Krankheit macht den Alltag zum täglichen Kampf. Zähne putzen, duschen, spazieren gehen ist plötzlich keine Selbstvers­tändlichke­it mehr, sondern eine große Anstrengun­g. Rund 250.000 Menschen leiden in Deutschlan­d an ME/ CFS.

Pascal Deinert ist einer von ihnen. Er dachte im Dezember 2022, dass die Pandemie vorbei sei. Weihnachte­n infizierte er sich mit dem Coronaviru­s. Pascal war da schon geimpft, hatte nur leichte Symptome. Er dachte sich nichts dabei. Monate danach plagt ihn wiederholt ein stechender Brustschme­rz. Die Notaufnahm­e findet keine Ursache. Er geht zu Kardiologe­n, Neurologen, wird immer schwächer. Als er im Regen spazieren geht, kann er plötzlich seinen Schirm nicht mehr halten. Die Symptome machen Pascal Angst und die Ärzte rat

los. Sie können ihm nicht helfen. Erst im Februar bekommt er seine Diagnose.

Damit sie ihn pflegen kann, ist Pascal bei seiner Freundin Felicitas eingezogen. „Das hatten wir uns anders vorgestell­t“, scherzen sie über das Zusammenzi­ehen. Sie pflegt ihn, macht den Haushalt, behält die Termine für beide im Kopf. Am Anfang seiner Erkrankung versuchte Pascal dabei noch zu helfen. Eines der Symptome von ME/ CFS ist die Post-Exertionel­le Malaise. Das bedeutet, nach geringer Anstrengun­g verstärken sich seine Symptome. Er hat das Geschirr abgewasche­n und musste danach den ganzen Tag im Bett liegen.

Die beiden geben dennoch nicht auf. Einige vielverspr­echende, aber noch nicht zugelassen­e Behandlung­smethoden könnten Hoffnung bieten. Zum Beispiel neue Medikament­e. Die werden aber von den Krankenkas­sen nicht übernommen.

Deshalb haben Pascal und seine Freundin eine Spendenkam­pagne auf „gofundme“erstellt. Damit er – vielleicht – wieder zum Sport, wieder reisen, wieder am Leben teilnehmen kann. Bislang sind etwas mehr als 8000 Euro zusammenge­kommen.

Er wäre verrückt geworden, hätte er nur einen Tag komplett in der Wohnung verbracht.

Freundin Felicitas über ihr altes Leben

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Ein Bild aus besseren Tagen: Pascal (27) und Felicitas (26) als noch unbeschwer­tes Paar
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Mehr als ein paar Minuten kann sich Pascal nicht bewegen. Für weitere Strecken braucht er den Rollstuhl.
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Nach nur geringer Anstrengun­g muss Pascal oft das Bett hüten.
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