Hamburger Morgenpost

„Steck deine Nase nicht in Dinge, die dich nichts angehen“

UKRAINE Aufruf von Franziskus führt zu heftigen Reaktionen in Berlin. Lob aus AfD und Linksparte­i

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Berlin/Rom/Moskau – Eines hat der Papst mit seinen jüngsten Äußerungen zu Verhandlun­gen in der Ukraine (MOPO berichtete) erreicht: Die Aufregung ist groß. Sogar christlich geprägte Politiker wenden sich von ihm ab. Und von Russlands oberstem Propagandi­sten erhält er eine derbe Abfuhr: „Wir wollen nicht verhandeln!“

„Sonntagabe­nd mit Wladimir Solowjow“– so heißt die wichtigste Politik-Sendung im russischen Fernsehen. Diesmal beschäftig­ten sich der Moderator und seine Gäste mit dem Appell von Papst Franziskus zu Verhandlun­gen in der Ukraine. Dieser hatte mit Blick auf die Ukraine erklärt, wer auf der Verlierers­traße sei, müsse verhandeln und den „Mut zur weißen Fahne haben“. Der Vatikan hatte später klargestel­lt, dass der Papst beide Kriegspart­eien zu Verhandlun­gen aufrufe. Für Solowjow eine Frechheit: Der Papst solle seine „Nase nicht in Dinge stecken, die ihn nichts angehen“, erklärte er. Es handele sich um eine Angelegenh­eit zweier orthodoxer Parteien. Russland erkenne den Papst als spirituell­en Führer nicht an und habe kein Interesse an Verhandlun­gen, fuhr er fort. So angreifbar macht sich der Kreml selbst natürlich nicht. Sprecher Dmitri Peskow versichert­e treuherzig, Russland sei bereit zu verhandeln. „Das ist der bevorzugte Weg.“

Doch die Idee des Papstes scheint selbst „Friedenska­nzler“Olaf Scholz (SPD) nicht zu überzeugen. „Der Bundeskanz­ler ist in dieser Frage nicht der Ansicht des Papstes“, betonte sein Sprecher Steffen Hebestreit gestern. „Richtig ist, dass die Ukraine sich gegen einen Ag

gressor wehrt.“Zustimmung bekam der Papst hingegen vor allem aus AfD und Linksparte­i. Gregor Gysi (Linke) behauptete – ohne jeden Beleg – bei X (ehemals Twitter), die NATOStaate­n wollen den Krieg „künstlich verlängern“. Und auch die ehemalige LinkenPoli­tikerin Sahra Wagenknech­t hatte nur Lob für den Papst übrig. Dieser nehme die „Friedensbo­tschaft des Christentu­ms“noch ernst.

Aus der Union hat sich lediglich Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) auf die Seite des Papstes gestellt. Man müsse sich „mehr anstrengen, um das Sterben im Krieg zu verhindern“, sagte er. Die meisten Mitglieder der christlich­en Parteienfa­milie gehen aber auf Distanz zu Franziskus. Er tue sich „schwer damit, den Hinweis des Papstes nachzuvoll­ziehen“, sagte beispielsw­eise CSU Landesgrup­pen chef Alexander D o - brindt. „ Durch das Hissen von weißen Flaggen ist in der Ukraine nichts gelöst, ganz im Gegenteil“, erklärte Hessens Regierungs­chef Boris Rhein (CDU). CDU-Schatzmeis­terin Julia Klöckner sagte, sie sei als Katholikin „mehr als irritiert über diese Aufforderu­ng, man möge die weiße Fahne hissen“. Wenn man fordere, dass sich jemand ergebe, der überfallen werde, „dann ist das eine Aufforderu­ng an Herrn Putin, mit kirchliche­m Segen einfach weiterzuma­chen“.

Und die Ukraine selbst? Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte kühl: „Die Kirche ist bei den Menschen. Und nicht zweieinhal­btausend Kilometer entfernt, irgendwo, um virtuell zu vermitteln zwischen jemandem, der leben will, und jemandem, der dich vernichten will.“

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 ?? ?? „Sonntagabe­nd mit Wladimir Solowjow“heißt die wichtigste Talk-Sendung im russischen Fernsehen.
„Sonntagabe­nd mit Wladimir Solowjow“heißt die wichtigste Talk-Sendung im russischen Fernsehen.
 ?? ?? Wladimir Solowjow ist der wichtigste politische Propagandi­st im russischen TV. Er warnt den Papst, sich in der Ukraine einzumisch­en.
Wladimir Solowjow ist der wichtigste politische Propagandi­st im russischen TV. Er warnt den Papst, sich in der Ukraine einzumisch­en.
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Papst Franziskus (87) stößt in der deutschen Politik weitgehend auf Unverständ­nis.
 ?? ?? Gregor Gysi (Linke) stellt sich auf die Seite des Papstes. Oder doch eher auf die Moskaus?
Gregor Gysi (Linke) stellt sich auf die Seite des Papstes. Oder doch eher auf die Moskaus?

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