Hamburger Morgenpost

Gerichts-Duell mit Signalwirk­ung rkung

Richter entscheide­n über Umgang mit Weidel & Co. AfD-Abgeordnet­e beschäftig­en Neonazis

-

BERLIN/MÜNSTER – Für die AfD hat ein schicksalh­after Prozess begonnen. Vor dem Oberverwal­tungsgeric­ht (OVG) in Münster wird die Frage entschiede­n, ob der Verfassung­sschutz die Partei mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln beobachten darf. Gleichzeit­ig enthüllt ein Bericht, wie viele Verfassung­sfeinde die AfD in Form von Mitarbeite­rn bereits in das Herz der deutschen Demokratie geschleust hat: den Bundestag.

Der Anwalt der AfD versuchte zunächst eine Vertagung und dann die Absetzung des gesamten Gerichts wegen Befangenhe­it zu erreichen. Beides erfolglos. Und so begann der Vorsitzend­e Richter Gerald Buck mit der Zeugenbefr­agung. Ein Vertreter des Bundesamts für Verfassung­sschutz erklärte, die Einschätzu­ng seiner Behörde sei noch nicht final – „es gibt kein fertiges Gutachten“.

Vor dem OVG hatte bereits ein Gericht in Köln zu dem Fall geurteilt – zugunsten des Verfassung­sschutzes. Die AfD hatte daraufhin die nächste juristisch­e Distanz angerufen. Das Kölner Gericht verwies damals auf Gutachten und Materialsa­mmlungen des Verfassung­sschutzes. Auch Aktivitäte­n der Jugendorga­nisation flossen in die Bewertung ein. Sowohl im formal aufgelöste­n Flügel als auch in der Jungen Alternativ­e (JA) sei ein ethnisch verstanden­er Volksbegri­ff ein zentrales Politikzie­l. Danach müsse das deutsche Volk in seinem ethnischen Bestand erhalten und müssten „Fremde“möglichst ausgeschlo­ssen werden. Das stehe im Widerspruc­h zum Volksbegri­ff des Grundgeset­zes. Es gebe auch Verlautbar­ungen, in denen „Umvolkungs“- und „Volkstod“-Vorwürfe erhoben würden. Außerdem sei eine ausländerf­eindliche Agitation zu erkennen.

Für heute ist ein zweiter Prozesstag angesetzt. Wann es zu einer Urteilsver­kündung kommt, ist noch offen. Die AfD hat bereits angekündig­t, eine weitere Instanz zu bemühen. Diese würde aber nicht mehr inhaltlich urteilen, sondern nur prüfen, ob juristisch­e Verfahrens­fehler gemacht wurden. Das Urteil des OVG könnte auch eine Grundlage für ein mögliches Verbotsver­fahren gegen die AfD bilden. Unterdesse­n berichtet die

Rechtsextr­emisten im Herzen der Demokratie können Einfluss nehmen und Propaganda verbreiten. Politikwis­senschaftl­er Armin Pfahl-Traughber

ARD, dass deutlich mehr Personen aus dem rechtsextr­emen Spektrum für Bundestags­abgeordnet­e der AfD arbeiten als bisher bekannt. Demnach beschäftig­t die Fraktion mehr als 100 Mitarbeite­r, die in Organisati­onen aktiv sind, die von deutschen Verfassung­sschutzämt­ern als rechtsextr­em eingestuft werden. Unter ihnen befinden sich Aktivisten aus dem Umfeld der „Identitäre­n Bewegung“, der „Reichsbürg­er“, ideologisc­he Vordenker aus der „Neuen Rechten“und mehrere Neonazis. Jeder zweite AfD-Abgeordnet­e soll solche Mitarbeite­r angestellt haben – darunter auch die Parteichef­s Alice Weidel und Tino Chrupalla. Die ARD gab den Abgeordnet­en die Chance zu einer Stellungna­hme. Die Anfragen blieben aber meist unbeantwor­tet. Politikwis­senschaftl­er Armin Pfahl-Traughber sagte dem ARD-Politikmag­azin „Report München“, es sei ein Problem, „dass tatsächlic­h im organisato­rischen Herzen der Demokratie in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d Rechtsextr­emisten sitzen“. Dort könnten sie „Einfluss ausüben und Propaganda verbreiten“.

 ?? ?? Verfassung­sschutzche­f Thomas Haldenwang warnt vor der AfD.
Verfassung­sschutzche­f Thomas Haldenwang warnt vor der AfD.
 ?? ?? Auch die AfDParteic­hefs Tino Chrupalla und Alice Weidel beschäftig­en offenbar Mitarbeite­r, die als verfassung­sfeindlich gelten.
Auch die AfDParteic­hefs Tino Chrupalla und Alice Weidel beschäftig­en offenbar Mitarbeite­r, die als verfassung­sfeindlich gelten.
 ?? ?? Die AfD hat den Verfassung­sschutz verklagt. Wann genau ein Urteil gesprochen wird, war zunächst nicht klar.
Die AfD hat den Verfassung­sschutz verklagt. Wann genau ein Urteil gesprochen wird, war zunächst nicht klar.

Newspapers in German

Newspapers from Germany