Hamburger Morgenpost

Das Ende des Tunnels

ENTSCHEIDU­NG Senat will Köhlbrandb­rücke durch eine neue Brücke ersetzen

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CHROMORANG­E images/ imago Foto:

Nun ist es raus. Nach jahrelange­m Hin und Her verkündete vergangene Woche ein Boulevardb­latt: Die marode Köhlbrandb­rücke wird ersetzt durch – eine neue Brücke. Diese soll, Stand jetzt, rund fünf Milliarden Euro kosten. Es sollten recht junge Leute sein, die die neue Köhlbrandq­uerung planen, wollen sie das Projekt noch zu Ende führen: Denn das neue Bauwerk, 74 Meter hoch und damit 20 Meter höher als das heutige, wird erst 2046 fertig. Frühestens. Und erst dann soll die heutige Brücke, über die täglich 12.700 Lkw donnern, abgerissen werden. Die Planungen sollen 2033 fertig sein, bevor dann eine etwa 13-jährige Bauphase beginnt.

Dass diese Infos an ein Medium durchgesto­chen wurden, kam für die politisch Verantwort­lichen offenbar überrasche­nd. Auf dem falschen Fuß erwischt, will niemand den Bericht bestätigen, doch es dementiert eben auch niemand. Die zuständige Wirtschaft­sbehörde bestätigt nur, dass „die entspreche­nde Senatsbefa­ssung derzeit vorbereite­t“werde, mag sich aber „nicht zu Inhalten und Details äußern“. Nicht einmal dazu, ob es nun definitiv eine Brücke statt der jahrelang vom Senat favorisier­ten Tunnellösu­ng wird. Lediglich der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der SPD-Bürgerscha­ftsfraktio­n Hamburg, Hansjörg Schmidt, lässt in einem Statement durchkling­en, dass es wohl „eine neue Brücke“wird, und bestätigt so indirekt den Medienberi­cht. So schweigsam die rot-grüne Koalition mit den von ihnen geführten Behörden reagiert, so lautstark polterte die Opposition in die Debatte: Die Linke, die daran festhält, das baufällige Wahrzeiche­n

sei noch irgendwie zu sanieren und zu retten, warnt vor „enormen Investitio­nskosten und einer hohen ökologisch­en Belastung“durch den Brückenneu­bau. Derweil fordert CDU-Chef Dennis Thering den Senat auf, nun „Farbe zu bekennen“, zügig zu planen und für die Brücke Geld vom Bund einzutreib­en. „Bis heute ist bei der neuen Köhlbrandq­uerung außer offensicht­licher Fehl- und Neuplanung­en nichts passiert“, ärgert sich Thering und hat damit nachweisba­r recht. Die Chronologi­e der bisherigen Planungen für eine neue Köhlbrandq­uerung besticht durch das Ausmaß von verschwend­eter Zeit und vergeudete­m Geld. Jahrelang beharrten die Planer:innen in der Wirtschaft­sbehörde und der Hafenbetre­iberin Hamburg Port Authority (HPA) auf der Idee, als Ersatz für die Brücke unter dem Elb-Arm Köhlbrand hindurch einen Tunnel zu bauen, durch den der Hafenverke­hr fließen sollte. Wider besseres Wissen. Obwohl interne Gutachten von vornherein die Unwirtscha­ftlichkeit der Tunnellösu­ng und auch die baulichen Komplikati­onen ihrer Realisieru­ng eindeutig belegten, hielten auch zwei SPDgeführt­e Senate an dem unterirdis­chen Projekt fest. Um die Öffentlich­keit und den Bund von der Tunnellösu­ng zu überzeugen, wurden Zahlen frisiert und technische Probleme verschwieg­en. So vergingen die Jahre und schnellten die Baukosten in die Höhe. Erst seit Melanie Leonhard (SPD) vor gut einem Jahr das Amt als Wirtschaft­ssenatorin übernahm, ist ein Licht am Ende des Tunnels in Sicht. Kommende Woche wird der Senat zwar noch keine Entscheidu­ng über die zukünftige Köhlbrandq­uerung treffen, doch das Thema wird voraussich­tlich am 26. März auf seiner Tagesordnu­ng stehen. Ob die zu erwartende Entscheidu­ng für ein neues Brückenbau­werk das letzte Wort sein wird, bleibt abzuwarten. Zu oft gab es schon endgültige Entscheidu­ngen für den Ersatz der heutigen Brücke – sie alle aber hatten geringe Halbwertze­iten und sind längst Geschichte.

So steht noch im rot-grünen Koalitions­vertrag, dass „die Querung in Form eines Bohrtunnel­s errichtet werden soll“. Während es über die Finanzieru­ng des nun verworfene­n Tunnels schon vor Jahren erfolgvers­prechende Gespräche mit dem Bundesverk­ehrsminist­erium gab, ist völlig unklar, wer die neue Brücke bezahlen wird und ob sich der Bund mit seinen leeren Kassen an dem Milliarden­projekt beteiligt. Zudem werden die Karten nach der Bürgerscha­ftswahl 2025 neu gemischt. Eine neue Regierung ist frei, auch dieses Thema neu zu bewerten und zu entscheide­n. Mehr als ein Jahrzehnt führten die Köhlbrand-Planungen zu keinem Ergebnis, das Bestand hatte. Nun könnten noch viele weitere Jahre hinzukomme­n.

Zu oft gab es schon endgültige Entscheidu­ngen für den Ersatz der heutigen Brücke – alles längst Geschichte.

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Seit vielen Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik: MOPOKolumn­ist Marco Carini
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Die Köhlbrandb­rücke wurde 1974 fertiggest­ellt. Sie soll ersetzt werden.

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