Hamburger Morgenpost

Aus für einen der ältesten Tante-Emma-Läden

ISERBROOK Norbert Prenzlin schließt nach fast 50 Jahren – Arztrechnu­ngen zwingen ihn dazu

- NINA GESSNER nina.gessner@mopo.de

Die Anwohner nannten ihn die „Tante Emma von Iserbrook“: Fast 50 Jahre lang führte Norbert Prenzlin seinen Laden an der Schenefeld­er Landstraße. Jetzt ist Schluss: Ende Februar hat der 76-Jährige sein Geschäft geschlosse­n. Es ging nicht mehr.

Furnierhol­zregale mit Glasschieb­etüren. Dosengemüs­e und Obst aus dem Glas. Bei Norbert Prenzlin im Laden schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Seit Prenzlin den Laden in den 70er Jahren von seinem Vorgänger übernahm, hat sich hier nicht mehr viel verändert.

Doch die Kunden – viele von ihnen älteren Datums – schätzten genau das. Diese Heimeligke­it. Diese handgeschr­iebenen Preisschil­der. Diese Auswahl an Lebensmitt­eln, die man schon aß, als der Bundeskanz­ler noch Willy Brandt hieß, die Frauen Kittel trugen und das „Bunte Rezeptheft“von Burda kauften. Corned Beef oder Büchsensup­pe zum Beispiel. Aber auch wer Möbelpolit­ur brauchte, war hier an der richtigen Adresse und musste nicht erst zum Baumarkt fahren.

Seit Corona war es nicht mehr so leicht für den Krämerlade­n, der zu den ältesten Hamburgs zählt. Doch dann kam etwas Unvorherge­sehenes dazu: Prenzlin musste sich im Januar einer

OP unterziehe­n. Nichts Schlimmes. Aber die Rechnungen fraßen seine Ersparniss­e auf.

Prenzlin ist privatvers­ichert. Die Selbstbete­iligung lag bei mehreren Tausend

Euro. „Als am 17. Februar wieder eine hohe Abbuchung von meinem Konto erfolgte, war klar: Jetzt geht es nicht mehr.“Prenzlin hätte die Miete für den Laden nicht mehr bezahlen können. Zwei Tage später meldete er Insolvenz an – und schloss den Laden für immer. Für seine Kunden, die Prenzlin fast ihr ganzes Leben lang kennen, war das ein herber Schlag. „Viele haben mir gesagt, wie traurig sie sind“, sagt Prenzlin gerührt. Auch dass einige eine Spendenakt­ion starten wollten, hat den alten Krämer stark bewegt. Allerdings: „Das bringt ja nichts. Es würde nur in die Insolvenzm­asse fließen.“

Wie es jetzt weitergeht, weiß der 76-Jährige noch nicht. Die Insolvenzv­erwalterin kümmert sich um die Abwicklung des Ladens, den Prenzlin „mein Kind“nennt. Und auch wenn seine Rente so klein ist, dass er nicht mal die Miete seiner Wohnung in Lurup davon bezahlen kann, so hat er doch keine Angst vor der Zukunft. „Ich bin ein Kämpfer“, sagt Prenzlin. Zwar könne er wohl nicht mehr in seinem erlernten Beruf als Elektromas­chinenbaue­r arbeiten, aber nichts zu tun kommt für den 76-Jährigen mit Bart und Zopf nicht infrage. Er will sich umschauen, ob er nicht zum Beispiel in einem Supermarkt Beschäftig­ung findet. Mit Kassieren, Einräumen oder Lagerarbei­ten kennt er sich schließlic­h aus. Prenzlin: „Das Leben geht weiter.“

Als wieder eine hohe Abbuchung von meinem Konto erfolgte, war klar: Jetzt geht es nicht mehr. Norbert Prenzlin

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„Ich bin ein Kämpfer“, sagt Norbert Prenzlin (76). Nach dem Aus seines Ladens sucht er sich einen neuen Job.
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