Hamburger Morgenpost

„Die AfD macht uns deutlich, was wir verlieren, wenn sie gewinnt“

MOPO-TALK Innensenat­or und Experten diskutiert­en, wie man mit den Rechten am besten umgeht

- VIOLA DENGLER viola.dengler@mopo.de

Als ein Treffen radikaler Rechter in Potsdam, an dem AfD-Politiker teilnahmen, publik wurde, veränderte sich etwas in der Gesellscha­ft: Deutschlan­dweit formierten sich Proteste gegen rechts, die AfD-Umfragewer­te sinken seither. Grund zur Entwarnung ist das jedoch noch nicht: Die AfD ist bundesweit immer noch zweitstärk­ste Kraft. Im MOPO-Talk debattiert­en Hamburgs Innensenat­or und Experten, wie man mit der rechtspopu­listischen bis rechtsextr­emen Partei am besten umgeht und wer die Verantwort­ung für ihre Macht trägt.

„Die Menschen haben die Hoheit über ihr Leben verloren“, sagt die ehemalige Bürgerscha­ftsabgeord­nete Christiane Schneider, die sich im „Bündnis gegen Rechts“engagiert, gleich zu Beginn des Talks am Donnerstag­abend im „Gausz“in Ottensen. Früher habe man seinen Kindern noch verspreche­n können, dass sie es mal besser hätten. Das sei vorbei. Es sei zwar an vielen Stellen besser, aber es herrsche eine große Verunsiche­rung.

Die AfD sei so stark, da in der Bevölkerun­g eine Zunahme autoritäre­r Verhaltens­weisen, Haltungen und Auffassung­en zu bemerken sei. „Die Leute sind heute in einem anderen Sinn autoritär als nach 1933, wo sie einem Führer gefolgt sind. Jetzt folgen sie ihrem starken Ich, das gekränkt ist, weil sie nicht das erreicht haben, was sie wollten“, sagt Schneider.

„Die AfD profitiert von Krisen. Das hat nichts damit zu tun, dass sie besonders kompetent ist“, stellt auch Kriminolog­e Nils Schuhmache­r von der Uni Hamburg fest. Die Partei nutze für sich, dass die Antworten der anderen Parteien von den Wählern oft nicht als befriedige­nd wahrgenomm­en würden. Dem stimmt auch Rechtsextr­emismus-Experte Andreas Speit zu. Umfragen zeigten, dass die AfD-Wähler nicht interessie­re, dass die Partei in Teilen als rechtsextr­em eingestuft ist, solange sie die „richtigen Themen“anspreche.

Eines davon ist die Migration, bekannterm­aßen ein Lieblingst­hema der AfD. Doch wie sollen die anderen Parteien damit umgehen, fragt Moderator Marco Carini seine Gäste. CDUChef Friedrich Merz entschied sich für einen eigenen verbalen Rechtsruck und sprach von „kleinen Paschas“. Politiker anderer Parteien duldeten hingegen keinerlei Kritik an den Neuankömml­ingen. Beides sei falsch, findet Hamburgs Innensenat­or. „Ziel muss sein, Themen der Stadt aufzugreif­en und anzugehen, bevor die AfD sie zum Thema macht“, so Andy Grote (SPD). „Und man muss die Themen ansprechen, ohne selbst zum Populisten zu werden.“Es herrscht große Einigkeit auf der Bühne. Nur als die Debatte im Laufe des Abends auf den Verfas

Wenn Höcke die Innenpolit­ik übernimmt, dann gnade uns Gott. Christiane Schneider

sungsschut­z kommt und Andy Grote diesen verteidigt – „es nützt nichts, den Verfassung­sschutz dauernd zu delegitimi­eren, das macht die AfD übrigens auch“–, erhebt sich stellenwei­se ein wütendes Knurren im Publikum und der Rechtsextr­emismus-Experte kontert: „Für die Delegitimi­erung des Verfassung­sschutzes sorgt dieser selbst.“

Dann geht es weiter. Was, wenn die AfD die Landtagswa­hlen im Osten gewinnt? Schneider: „Wenn Höcke die Innenpolit­ik übernimmt, dann gnade uns Gott.“Grote: „Es muss alles getan werden, um Rechtsextr­emisten aus der Regierung fernzuhalt­en.“Beim Thema Parteiverb­ot gibt es verschiede­ne Perspektiv­en, aber eine allgemeine Zurückhalt­ung. „Ich bin skeptisch, dass das Verbot umsetzbar ist“, sagt der Kriminolog­e Schuhmache­r. „Und wenn es gelingt, ist der Spuk nicht vorbei. Die Menschen sind immer noch da.“Man müsse sich aber auch von der Vorstellun­g verabschie­den, man könne die AfD argumentat­iv stellen und in einem rationalen Diskurs ihre Positionen widerlegen, sagt er. Das gelte auch für den privaten Bereich, ergänzt der Rechtsextr­emismus-Experte Speit: „Fake News zu widerlegen bringt nichts.“Besser sei zu fragen, wovor die Person Angst habe.

Alle Talk-Gäste sehen die Zivilbevöl­kerung neben der Politik in der Verantwort­ung. Jeder sei nun aufgeforde­rt, sich zu fragen, wo er sich politisch engagieren, wo er Menschen unterstütz­en könne. „Die AfD macht uns deutlich, was wir verlieren, wenn sie gewinnt“, sagt Christiane Schneider. „Wir müssen unsere Menschenre­chte verteidi

 ?? ??
 ?? ??
 ?? ?? Christiane Schneider (v. l.), Andreas Speit, Moderator Marco Carini, Nils Schuhmache­r und Andy Grote (SPD) kurz vor dem MOPO-Talk
Christiane Schneider (v. l.), Andreas Speit, Moderator Marco Carini, Nils Schuhmache­r und Andy Grote (SPD) kurz vor dem MOPO-Talk
 ?? ?? Es zeigt sich: Nicht jeder im Publikum ist Fan des Verfassung­sschutzes.
Es zeigt sich: Nicht jeder im Publikum ist Fan des Verfassung­sschutzes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany