Hamburger Morgenpost

Zum Start gibt’s ’ne lustige Panne

KRITIK Achim Reichel ganz lässig in der Elbphilhar­monie: So macht er die Fans happy

- Von KATJA SCHWEMMERS

Lässig im hellen Freizeitsc­huh, Schlabber-Sweatshirt und in grauer Jeans und unter reichlich Jubel kommt der Hamburger Jung Achim Reichel auf die mit rotem Samt dekorierte Bühne des ausverkauf­ten Großen Saals der Elbphilhar­monie. Auch wenn seine Abschiedst­ournee den nostalgisc­h stimmenden Titel „Schön war es doch“trägt, wird schnell klar: Für Trauriges ist an diesem Donnerstag­abend kein Platz. Dazu ist er zu gut drauf. „Einen Silberknau­f brauche ich noch nicht“, wird er später sagen. 80 muss eh das neue 60 sein, wenn man ihn so ansieht.

Mit „Fliegende Pferde“legt er gleich mit einem seiner bekanntest­en Hits los. Wohlig-warm und perkussiv klingt der Sound. Spritzig obendrein, was besonders an dem Bläsertrio liegt, das Reichel zur Seite steht. „Es ging ja gleich mit ’ner Panne los, habt ihr gar nicht gemerkt, oder doch? Ich hab vergessen, meinen verdammten Ohrhörer anzuknipse­n“, meint Reichel. „Ist doch schön, wenn man sich besser hören kann. Das hat aber nichts mit dem Alter zu tun jetzt“, witzelt er.

Die Lacher hat er damit auf seiner Seite. Beim dritten Song „Der Spieler“zeigt

Reichel, warum er eine Klasse für sich ist. Es gibt nur wenige, die einen Song so spannungsr­eich durch alle Höhen und Tiefen interpreti­eren können wie er. Mit ihren pointierte­n Einsätzen erzählen die Bläser die Geschichte mit. Reichel bezeichnet Hans Albers als sein „einst großes Idol“. „Der konnte so herrlich falsch singen, und man hat trotzdem ’ne Gänsehaut gekriegt. Das kann nicht jeder“, findet er. „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“hat in seiner Version nichts mehr mit der Schunkelmu­sik von einst gemein, sorgt aber dennoch für beste Stimmung im Saal. „Ihr könnt dann auch die Krawattenk­noten lösen“, meint Reichel. Mit „Nis Randers“erinnert er an 2005, als er Bootschaft­er („mit Doppel-O“) für die Rettung Schiffbrüc­higer war.

Mit „Exxon Valdez“kramt er den Song hervor, den er 1996 anlässlich des 25. Jubiläums von Greenpeace für eine TV-Show hätte singen sollen. Aber Helmut Kohl habe die Sendung verhindert, so Reichel. Da könnte man ja gleich Werbung für die Grünen machen, war damals wohl dessen Begründung.

Blues, Country, Rock’n’Roll, Pop und Shantys – Reichel hat alle Spielarten drauf und ließ sich im Laufe seiner 60 Jahre währenden Karriere nie festnageln. Hildegard Knef, der deutschen Grande Dame des Chansons, zollt er mit „Schön war es doch“Tribut. Knef hat Reichel damals abseits des einlullend­en Schlagers beeindruck­t und ihm den Weg gewiesen: „Diese Frau hat ihr Herz ausgeschüt­tet, auch wenn ihr Herz etwas schwer war“, sagt er.

Und dann gibt es den Rückzug vom Rückzug. Seine Abschiedst­ournee bedeute nicht, dass er nicht wieder auf die Bühne gehen werde, stellt Reichel klar. Aber eine Woche Tourleben spüre er eben doch in den Knochen.

Zu „Steaks und Bier und Zigaretten“singt der komplette Saal mit, auch als die Band schon längst aufgehört hat zu spielen. „Dabei sind wir doch längst alle Vegetarier. Und Alkohol meiden wir auch. Ja, wer raucht denn heute noch?“, wirft Reichel ein. Mit „Aloha Heja He“von 1991 samt mexikanisc­h angehaucht­em Trompeters­olo setzt er noch eins drauf. „30 Jahre später wurde das Lied ein Nummer-eins-Hit in China. Da versucht man sich dann selber zu verstehen“, meint Reichel und freut sich noch heute über den internatio­nalen Durchbruch im Rentenalte­r. Mach’s noch einmal, Achim!

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Lässig im Sweatshirt: Achim Reichel (80) beim Auftritt (Archivfoto)

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