Hamburger Morgenpost

Pro Bahn zieht nach den ersten hundert Tagen positive Bilanz

MOBILITÄT

- Von BERNHARD SPRENGEL

müssen, so Pinar, dass ihr Mandant die Tat gar nicht hätte begehen können. Zudem schreibt er vor und nach der Tat mit einer Freundin, schickt ihr unter anderem ein Foto eines XXL-Joghurt-Bechers, den sein Vater gekauft hat, mit dem Hinweis: „Er kauft einfach 10 Kilo Joghurt.“

Neben der DNA-Spur war es aber vor allem die Aussage seiner Ex-Freundin, die den jungen Mann – zur Tatzeit 24 Jahre alt – schwer belastete: Nachdem sich Ö. von ihr getrennt und mit einer anderen Frau verlobt hatte, sagte sie der Polizei, dass er ihr gegenüber den Mord gestanden habe. Das Geständnis lässt sich in Gesprächsp­rotokollen – Okan Ö. wurde abgehört und seine Wohnung verwanzt – aber nicht finden. Zudem habe die Frau sich wenige Tage nach ihrer Aussage nach der Belohnung von mehreren Tausend Euro erkundigt. Pinar: „Das schien ihre Motivation gewesen zu sein.“

Trotz mehrerer Ladungen erschien die Ex-Freundin als Zeugin nie vor Gericht. Es wird vermutet, dass sie das Land verlassen hat.

Es gab – neben den HandyDaten – weitere Indizien, die darauf hindeutete­n, dass Okan Ö. nicht einer der Täter war: So hatten mehrere Zeugen das Täter-Duo als eindeutig dunkelhäut­ig beschriebe­n. Entspreche­nde Notrufe werden vor Gericht abgespielt. Die Annahme, dass Okan Ö. und der mutmaßlich­e Auftraggeb­er Ismail M. sich kannten, beruhte wahrschein­lich nur darauf, dass sie im selben Stadtteil aufgewachs­en waren und Kontakte nach Spanien hatten. Aus den Gesprächen von 33 abgehörten Personen konnte laut Pinar kein Kontakt zwischen den Männern hergestell­t werden. Auch Terry S. habe ihr Mandant nicht gekannt. Sie hätten in unterschie­dlichen Drogenbere­ichen operiert. Dass es trotz dieser Erkenntnis­se zur Anklage kam, hält die Anwältin für fragwürdig. „Ermittlung­sbehörden, die die Unschuldsv­ermutung nicht hochhalten, verursache­n nicht nur unnötig Arbeit für die Gerichte, sondern sie klären Taten nicht auf, weil sie sich mit falschen Arbeitshyp­othesen an falschen Fährten aufhalten. Und sie verursache­n viel Leid für die Betroffene­n und ihre Familien“, sagte sie zur MOPO. Ganz zu schweigen vom psychische­n Druck, den ihr Mandant in neunmonati­ger Isolations­haft habe ertragen müssen. Bei der Verlesung des Plädoyers am vergangene­n Freitag kam auch die Staatsanwa­ltschaft zu dem Schluss, dass Ö. nicht der Täter sei und freigespro­chen werden müsse. Der Haftbefehl in der Sache war bereits vorher aufgehoben worden. Wegen Drogenhand­els muss Okan Ö. trotzdem im Gefängnis bleiben, auch eine Strafe wegen illegalen Waffenbesi­tzes soll folgen. Ende März soll dann das Urteil bzw. der Freispruch offiziell verkündet werden.

„Die Beweisaufn­ahme hat ergeben, dass wir nicht wissen, wer die Täter sind“, sagte Gül Pinar abschließe­nd. Ihr Fazit: „Und wir wissen nicht, ob die Staatsanwa­ltschaft wegen dieser Tat noch in eine andere Richtung ermittelt hat – oder zumindest mittlerwei­le mal ermittelt.“Das tut sie einer Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft zufolge: „Selbstvers­tändlich wird auch in andere Richtungen ermittelt. Weitergehe­nde Auskünfte sind angesichts der laufenden Ermittlung­en derzeit jedoch nicht möglich.“

Die Neuordnung des Liniennetz­es der S-Bahn hat nach Ansicht des Fahrgastve­rbands Pro Bahn den Verkehr stabilisie­rt. Die Langzüge auf der S3 zwischen Pinneberg und Neugraben hätten die Verspätung­en reduziert, weil das Verlängern oder Verkürzen der Züge von und nach Stade in Neugraben entfalle.

„Das ist ein großer Vorteil“, sagte Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann. Langzüge bestehen aus neun Waggons und bieten Platz für bis zu 1500 Fahrgäste. Der S-Bahn-Verkehr über die Elbe sollte nach Ansicht von Pro Bahn weiter verstärkt werden. Auf der Strecke zwischen Hauptbahnh­of und Harburg sei Kapazität für eine dritte Linie. Seit vielen Jahren sei klar, dass dafür lediglich die Stromverso­rgung und die Signalanla­gen ausgebaut werden müssten. Dann könnten mehr Züge fahren.

„Die Nachfrage ist da“, sagte Naumann. Gerade zur Hauptverke­hrszeit seien die Züge sehr voll. Verkehrsse­nator Anjes

Tjarks (Grüne) und die Geschäftsf­ührer der S-Bahn und des Hamburger Verkehrsve­rbunds (HVV), Kay Uwe Arnecke und Raimund Brodehl, zogen eine durchweg positive Bilanz der ersten 100 Tage des neuen Liniennetz­es. „Seit 100 Tagen profitiere­n unsere Fahrgäste von dem ausgeweite­ten Angebot des neuen Netzes, mit mehr Zugfahrten und mehr Sitzplätze­n als jemals zuvor“, sagte Arnecke in einer Pressemitt­eilung.

Zum Beginn Winterfahr­plans am 10. Dezember hatte die S-Bahn ihr Liniennetz neu sortiert. Die zweistelli­gen Linienbeze­ichnungen S11, S21 und S31 verschwand­en. Im Gegenzug wurde die neue Linie S5 eingeführt, deren Züge zwischen Stade und Elbgaustra­ße fahren. Der Wegfall dreier Linien bedeutet aber keine Reduzierun­g des Angebots: Sie wurden in die verbleiben­den vier Linien integriert. Derzeit wird an einer neuen S4 gearbeitet, die von 2029 an Hamburg mit Bad Oldesloe verbinden soll. Zudem ist eine neue Linie S6 im Hamburger Süden geplant, die Ende 2029 in Betrieb gehen soll.

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Polizisten am Tatort, einer Shisha-Bar an der Lübecker Straße
Im Juli 2022 wurde Terry S. in einer Shisha-Bar erschossen. Polizisten am Tatort, einer Shisha-Bar an der Lübecker Straße
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Zum Beginn des Winterfahr­plans im Dezember hat die S-Bahn ihr Liniennetz neu sortiert.

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