Viele Pläne, kaum Strategien, kein Geld
HAFEN Bund legt Ideensammlung ohne Finanzierungskonzept vor
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Stellen Sie sich vor: Sie bekommen einen Plan geschenkt. Von einem neuen Haus, das unbedingt für Sie hergerichtet werden soll. Jedes Detail im Grundriss erfasst, viele gute Ideen dabei. Nur: Sie haben wenig Geld und wer das Eigenheim bezahlen soll, darüber steht in den Plänen kein Wort. Doch ohne Kohle ist da nur ein Luftschloss, das nie gebaut werden kann.
Genauso geht es den norddeutschen Bundesländern, Hamburg voran, mit der vergangenen Mittwoch von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) präsentierten „Nationalen Hafenstrategie“. Sie soll die Grundlage für den Ausbau, die ökologische Modernisierung und die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Seehäfen bilden. 139 Einzelmaßnahmen finden sich in dem Papier, aber keine einzige Silbe zu der Frage: Wer soll das alles bezahlen? Erst planen, dann über Geld sprechen, lautet Wissings Devise.
Dabei geht es um den Strukturwandel der Häfen von Hamburg, aber auch von Wilhelmshaven und Cuxhaven. Mehr als 60 Prozent des deutschen Außenhandels erfolgen auf dem Seeweg. „Ohne Häfen keine Exportnation“, bringt es Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) auf den Punkt. Und in Hamburg wurden 2023 dabei 99,6 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen, so viel wie in allen anderen deutschen Seehäfen zusammen.
Zudem spielen die Häfen eine zentrale Rolle bei der Energiewende, die den Klimawandel begrenzen soll. Die Bundesregierung will die nationale Energieversorgung vom Inland an die Küsten verlegen. Norddeutschland soll für die Erzeugung und den Import von Energie die Rolle übernehmen, die bislang die Ruhrzechen und die Lausitz spielten – was der wirtschaftlichen Entwicklung der Küstenländer und Hamburgs einen entscheidenden Push geben würde. Doch es setzt einen massiven Ausbau der Häfen voraus, um etwa die installierte Offshore-WindkraftLeistung vor den deutschen Küsten bis 2045 wie geplant von heute 8,6 auf dann rund 70 Gigawatt zu verachtfachen. Die Windkraft-Anlagen müssen in den Häfen gelagert und verladen werden – Flächen dafür gibt es aber noch kaum. Zudem muss der Hamburger Hafen zum Standort für die Wasserstoffwirtschaft ausgebaut werden, mit massiven Investitionen.
Gunther Bonz, bis vor wenigen Wochen Präsident des Unternehmensverbandes Hafen Hamburg, beklagt, dass die Bundesregierung viel weniger Geld in ihre Häfen investiere, als das in anderen europäischen Ländern der Fall sei. Diverse Hafenunternehmen und Verbände der maritimen Wirtschaft fordern deshalb eine Verzehnfachung der direkten Bundesmittel für die deutschen Seehäfen von heute jährlich 38 auf 400 Millionen Euro im Jahr.
Doch wer sich die „Nationale Hafenstrategie“anschaut, der ahnt, dass auch dieses Geld – das der Bund nicht zahlen will – bei Weitem nicht reichen würde. Führen wir die Diskussion wirklich ehrlich, sprechen wir nicht über Millionen, sondern Milliarden.
So fällt die Reaktion auf Wissings Vorlage in Hamburg entsprechend aus. Rot und Grün lobten die Ampelvorlage vorsichtig, mahnten aber gleichzeitig ein größeres finanzielles Engagement des Bundes an. an Dass damit ka aum zu rechen ne sei, stellte de er Berichterstatter
für Häfen der FDP-Bundestagsfraktion und Hamburger Bundestagsabgeordnete, Michael Kruse, klar. Die Häfen müssten sich schon selbst finanzieren – ein Konzept, das aber schon in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten krachend gescheitert ist. So bleibt es der CDU-Opposition vorbehalten, die Hafenstrategie als „zahnlose Absichtserklärung“zu geißeln, weil schöne Ideen, die niemand bezahlen will, eben nur schöne Ideen seien.
Auch wenn etwa Bonz glaubt, dass die neue Hafenstrategie zumindest „aktuelle Herausforderungen aufnimmt“, ist sie nach Auffassung vieler Expert:innen vor allem ein Flickenteppich. So vermisst der Naturschutzbund (Nabu), dass der Bund in dem Papier regelt, wie die norddeutschen Häfen in Zukunft kooperieren, die auf Kosten der Umwelt ausgetragene Konkurrenz zwischen ihnen gestoppt wird. Statt sich gegenseitig Kund:innen abzujagen, sollte zwischen Hamburg, Niedersachsen und Bremen geregelt werden, wer sich auf was spezialisiert und wo die großen Schiffe hinfahren. Doch genau diese Überlegungen, die das Label „Hafenstrategie“verdient hätten, finden sich in dem 139-Punkte-Sammelsurium eben nicht. Die Profiteure einer nicht mit Finanzierungszusagen unterlegten Hafenstrategie sind deshalb die Häfen von Rotterdam und Antwerpen sowie die Ostseeanrainer – wo massiv in die Ertüchtigung der Häfen investiert wird, während der Bund nun nur eine Bündelung von wolkigen Einzelmaßnahmen vorgelegt hat. Keine gute Botschaft für den Hamburger Hafen.
Wer sich die „Nationale Hafenstrategie“anschaut, der ahnt, dass auch 400 Millionen Euro pro Jahr bei Weitem nicht reichen würden.