Hamburger Morgenpost

Viele Pläne, kaum Strategien, kein Geld

HAFEN Bund legt Ideensamml­ung ohne Finanzieru­ngskonzept vor

- Von MARCO CARINI

Krick Jens Flashpic/ alliance/ picture Foto:

Stellen Sie sich vor: Sie bekommen einen Plan geschenkt. Von einem neuen Haus, das unbedingt für Sie hergericht­et werden soll. Jedes Detail im Grundriss erfasst, viele gute Ideen dabei. Nur: Sie haben wenig Geld und wer das Eigenheim bezahlen soll, darüber steht in den Plänen kein Wort. Doch ohne Kohle ist da nur ein Luftschlos­s, das nie gebaut werden kann.

Genauso geht es den norddeutsc­hen Bundesländ­ern, Hamburg voran, mit der vergangene­n Mittwoch von Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) präsentier­ten „Nationalen Hafenstrat­egie“. Sie soll die Grundlage für den Ausbau, die ökologisch­e Modernisie­rung und die Konkurrenz­fähigkeit der deutschen Seehäfen bilden. 139 Einzelmaßn­ahmen finden sich in dem Papier, aber keine einzige Silbe zu der Frage: Wer soll das alles bezahlen? Erst planen, dann über Geld sprechen, lautet Wissings Devise.

Dabei geht es um den Strukturwa­ndel der Häfen von Hamburg, aber auch von Wilhelmsha­ven und Cuxhaven. Mehr als 60 Prozent des deutschen Außenhande­ls erfolgen auf dem Seeweg. „Ohne Häfen keine Exportnati­on“, bringt es Hamburgs Wirtschaft­ssenatorin Melanie Leonhard (SPD) auf den Punkt. Und in Hamburg wurden 2023 dabei 99,6 Millionen Tonnen Güter umgeschlag­en, so viel wie in allen anderen deutschen Seehäfen zusammen.

Zudem spielen die Häfen eine zentrale Rolle bei der Energiewen­de, die den Klimawande­l begrenzen soll. Die Bundesregi­erung will die nationale Energiever­sorgung vom Inland an die Küsten verlegen. Norddeutsc­hland soll für die Erzeugung und den Import von Energie die Rolle übernehmen, die bislang die Ruhrzechen und die Lausitz spielten – was der wirtschaft­lichen Entwicklun­g der Küstenländ­er und Hamburgs einen entscheide­nden Push geben würde. Doch es setzt einen massiven Ausbau der Häfen voraus, um etwa die installier­te Offshore-WindkraftL­eistung vor den deutschen Küsten bis 2045 wie geplant von heute 8,6 auf dann rund 70 Gigawatt zu verachtfac­hen. Die Windkraft-Anlagen müssen in den Häfen gelagert und verladen werden – Flächen dafür gibt es aber noch kaum. Zudem muss der Hamburger Hafen zum Standort für die Wasserstof­fwirtschaf­t ausgebaut werden, mit massiven Investitio­nen.

Gunther Bonz, bis vor wenigen Wochen Präsident des Unternehme­nsverbande­s Hafen Hamburg, beklagt, dass die Bundesregi­erung viel weniger Geld in ihre Häfen investiere, als das in anderen europäisch­en Ländern der Fall sei. Diverse Hafenunter­nehmen und Verbände der maritimen Wirtschaft fordern deshalb eine Verzehnfac­hung der direkten Bundesmitt­el für die deutschen Seehäfen von heute jährlich 38 auf 400 Millionen Euro im Jahr.

Doch wer sich die „Nationale Hafenstrat­egie“anschaut, der ahnt, dass auch dieses Geld – das der Bund nicht zahlen will – bei Weitem nicht reichen würde. Führen wir die Diskussion wirklich ehrlich, sprechen wir nicht über Millionen, sondern Milliarden.

So fällt die Reaktion auf Wissings Vorlage in Hamburg entspreche­nd aus. Rot und Grün lobten die Ampelvorla­ge vorsichtig, mahnten aber gleichzeit­ig ein größeres finanziell­es Engagement des Bundes an. an Dass damit ka aum zu rechen ne sei, stellte de er Berichters­tatter

für Häfen der FDP-Bundestags­fraktion und Hamburger Bundestags­abgeordnet­e, Michael Kruse, klar. Die Häfen müssten sich schon selbst finanziere­n – ein Konzept, das aber schon in den vergangene­n Jahren und Jahrzehnte­n krachend gescheiter­t ist. So bleibt es der CDU-Opposition vorbehalte­n, die Hafenstrat­egie als „zahnlose Absichtser­klärung“zu geißeln, weil schöne Ideen, die niemand bezahlen will, eben nur schöne Ideen seien.

Auch wenn etwa Bonz glaubt, dass die neue Hafenstrat­egie zumindest „aktuelle Herausford­erungen aufnimmt“, ist sie nach Auffassung vieler Expert:innen vor allem ein Flickentep­pich. So vermisst der Naturschut­zbund (Nabu), dass der Bund in dem Papier regelt, wie die norddeutsc­hen Häfen in Zukunft kooperiere­n, die auf Kosten der Umwelt ausgetrage­ne Konkurrenz zwischen ihnen gestoppt wird. Statt sich gegenseiti­g Kund:innen abzujagen, sollte zwischen Hamburg, Niedersach­sen und Bremen geregelt werden, wer sich auf was spezialisi­ert und wo die großen Schiffe hinfahren. Doch genau diese Überlegung­en, die das Label „Hafenstrat­egie“verdient hätten, finden sich in dem 139-Punkte-Sammelsuri­um eben nicht. Die Profiteure einer nicht mit Finanzieru­ngszusagen unterlegte­n Hafenstrat­egie sind deshalb die Häfen von Rotterdam und Antwerpen sowie die Ostseeanra­iner – wo massiv in die Ertüchtigu­ng der Häfen investiert wird, während der Bund nun nur eine Bündelung von wolkigen Einzelmaßn­ahmen vorgelegt hat. Keine gute Botschaft für den Hamburger Hafen.

Wer sich die „Nationale Hafenstrat­egie“anschaut, der ahnt, dass auch 400 Millionen Euro pro Jahr bei Weitem nicht reichen würden.

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Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (r., FDP) mit seinem französisc­hen Amtskolleg­en Clément Beaune im Hamburger Hafen
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 ?? ?? Seit vielen Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik: MOPOKolumn­ist Marco Carini
Seit vielen Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik: MOPOKolumn­ist Marco Carini

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