Hamburger Morgenpost

Sozialamt in Mitte völlig überlastet

HILFERUF Weil Mitarbeite­r mit ihrer Arbeit nicht hinterherk­ommen, müssen Bedürftige leiden, sagt die Linke

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Land unter im Bezirk Mitte: Im Sozial- und Grundsiche­rungsamt haben die Mitarbeite­r im vergangene­n Jahr 300 Überlastun­gsanzeigen gestellt – während in den übrigen Bezirken im selben Zeitraum maximal zwölf offizielle Hilferufe an die Vorgesetzt­en formuliert wurden, wie nun aus einer Anfrage der Linken an den Senat hervorgeht. Die Dauer-Überlastun­g des Amtes hat dramatisch­e Folgen für die Menschen, deren Anträge nicht bearbeitet werden. Was ist da los in Mitte? Der Bezirk hat eine Erklärung für die extremen Zahlen.

Essen, Unterkunft, Kleidung, Körperpfle­ge – mehr als 55.000 Hamburger können solche Grundbedür­fnisse nicht mit eigenem Geld bezahlen und haben Anspruch auf Unterstütz­ung vom Staat: Sozialhilf­e oder Grundsiche­rung im Alter. Umso dramatisch­er, wenn die Anträge dieser weitgehend mittellose­n Menschen sich wochenlang unbearbeit­et auf Schreibtis­chen stapeln, weil dem Amt Personal

Lenthe Andre images/ imago Foto: fehlt und die vorhandene­n Mitarbeite­r unter der Antragsflu­t zusammenbr­echen und krank werden: „Die betroffene­n Antragstel­ler und Antragstel­lerinnen haben in der Regel keine Chance, die wochen- und monatelang­en Verzögerun­gen finanziell abzufedern“, sagt Olga Fritzsche, sozialpoli­tische Sprecherin der Linken-Fraktion in der Hamburgisc­hen Bürgerscha­ft. „Sie müssen hungern, wenn sie keine Rücklagen mehr haben.“Und die Personalsi­tuation im Bezirk Mitte scheint sich weiter zuzuspitze­n: Allein aus den ersten acht Wochen im Jahr 2024 liegen bereits 80 Überlastun­gsanzeigen vor. Mit diesen Anzeigen weisen Mitarbeite­r ihre

Chefs darauf hin, dass sie ihre Aufgaben nicht mehr so erfüllen können, wie es das Gesetz vorsieht – auch eine Rückversic­herung, falls sie wegen der Überlastun­g Fehler machen, die am Ende Dritten schaden. Warum ist es in Mitte schlimmer als in den anderen Bezirken? „Die hohe Anzahl resultiert aus den insgesamt in den letzten Jahren sehr stark gestiegene­n Fallzahlen im Bezirk“, so eine Sprecherin zur MOPO. Zu Mitte gehören Wohngebiet­e, in denen besonders viele arme Menschen leben, etwa Billstedt, Veddel, Wilhelmsbu­rg. Außerdem ist das Grundsiche­rungsamt des Bezirkes für alle Obdachlose­n in Hamburg zuständig, muss sich etwa um die Auszahlung von Überbrücku­ngsleistun­gen kümmern oder um die Abrechnung von Krankenhau­saufenthal­ten.

Die betroffene­n Antragstel­ler haben in der Regel keine Chance, lange Verzögerun­gen finanziell abzufedern. Olga Fritzsche (Linke)

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Weil im Bezirk Mitte Anträge auf Sozialhilf­e nicht bearbeitet werden, müssen Menschen hungern, so die Linke (Symbolbild).
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