Großbritanniens Türsteher
Frankreichs hartes Vorgehen gegen Migranten stößt auf Kritik
LONDON/PARIS – Sie rammen Flüchtlingsboote, setzen sie unter Wasser oder schlitzen sie auf: Französische Sicherheitskräfte fangen Migranten im Ärmelkanal offenbar mit rauen Methoden ab. Hintergrund ist ein Deal zwischen dem britischen Premier Rishi Sunak und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
„Stop the boats!“lautet die Forderung vom britischen Premier an den französischen Präsidenten. Dafür greift er seit einem Deal im März 2023 tief in die Tasche: Großbritannien zahlt Frankreich bis 2026 insgesamt 541 Millionen Euro. Das ist deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Damit sollen Überwachungskameras, Drohnen und Boote für Abfangaktionen im Ärmelkanal finanziert werden. Das Ziel ist klar: Die Zahl der Grenzübertritte soll „drastisch“reduziert werden.
Der Deal sei ein „Wendepunkt“heißt es von französischen Beamten. Die Briten übten nun Druck aus und verlangten von ihren französischen Türstehern Resultate. Im September 2023 sagte der britische Migrationsminister Robert Jenrick bereits, was man erwarte: Man habe die Franzosen ermutigt, Boote von Migranten „auf dem Wasser abzufangen“. Die Franzosen scheinen sich dem Druck zu beugen und gehen mittlerweile mit teils riskanten Methoden gegen die Schlauchboote vor. Das zeigt eine gemeinsame Recherche von „Spiegel“, „Lighthouse Reports“, „Observer“und der Zeitung „Le Monde“. Die Reporter befragten Geflüchtete, Grenzschützer und hochrangige Beamte und verifizierten Videos, die Migranten mit ihren Handys aufgenommen hatten. Die Aufnahmen zeigen unter anderem, wie sich ein Boot der französischen Nationalpolizei nähert und immer wieder kurz vor den Migranten abdreht, sodass Welle um Welle in das Schlauchboot schwappt und die Menschen bald bis zu den Knien im Wasser sitzen. Die französischen Behörden bestreiten den Vorfall nicht. Im Gegenteil: Die Aktion habe tagsüber im Hafengelände stattgefunden, man habe verhindern wollen, dass die Menschen das offene Meer erreichten. Es sei das einzige Manöver dieser Art und: „Alle Migranten wurden gerettet und die Schlepper festgenommen.“
Der ehemalige britische Küstenwächter Kevin Saunders sieht den Vorfall nicht so gelassen: „Das Video hat mich schockiert“, sagt er. Das sei „unglaublich gefährlich“. Vom britischen Innenministerium heißt es, die Zahl der Migranten sei inakzeptabel hoch. „Wir werden alles tun, um diese gefährlichen und tödlichen Überfahrten zu unterbinden“, so ein Sprecher. Die französischen Kollegen würden Menschenleben retten.