Hamburger Morgenpost

So ist der Stand zum CO2-Endlager in der Nordsee

Wilhelmsha­ven: Antworten auf die wichtigste­n Fragen zum Klimaproje­kt und den Debatten

- Von LENNART STOCK

Klimaschäd­liches Kohlendiox­id (CO ) könnte künftig weit draußen in der Nordsee unter dem Meeresgrun­d gespeicher­t werden. Das sehen Pläne vor, die Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) kürzlich vorstellte. Als größtes Bundesland unter den Nordsee-Anrainern könnte Niedersach­sen dabei eine wichtige Rolle bei dem Aufbau der Technologi­e zukommen. Die Technik ist allerdings umstritten. Ein Überblick über Pläne, die es dazu schon gibt, und die Rolle Wilhelmsha­vens dabei.

➤ Was ist CCS? Es geht es um die unterirdis­che Speicherun­g von CO2, das etwa beim Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entsteht. CCS steht als englische Abkürzung für „Carbon Dioxide Capture and Storage“. Bei dem Verfahren wird CO2 bei Industriep­rozessen eingefange­n, in den Boden gepresst und so eingelager­t – zum Beispiel im Meeresgrun­d. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass das CO2 in die Atmosphäre gelangt und so die Erderwärmu­ng beschleuni­gt.

➤ Wo genau soll CO gespeicher­t werden können? Nach Habecks Plänen soll das vorerst nur weit draußen in der Nordsee in der sogenannte­n ausschließ­lichen Wirtschaft­szone möglich sein. Meeresschu­tzgebiete sollen dabei ausgenomme­n werden. In Niedersach­sen regelt auch ein Gesetz (NKSpG), dass die Erprobung und Demonstrat­ion der dauerhafte­n Speicherun­g von CO2 auf dem Festland und in der Zwölf-Seemeilen-Zone, also der küstennahe­n Nordsee, unzulässig ist.

➤ Wie reagiert die Landesregi­erung auf Habecks Pläne? Die rot-grüne Landesregi­erung hält es für richtig, dass Habeck eine Strategie vorgelegt hat – gleichzeit­ig drängt sie auf einen engen Rahmen für CCS. Umweltmini­ster Christian Meyer sagt, CCS dürfe nur dort zum Einsatz kommen, wo es unvermeidb­are CO2-Emissionen gebe, zum Beispiel in der Zementindu­strie. Er weist zudem auf den knappen Raum in der Nordsee hin, um den Offshore-Windparks, Fischerei und Meeresnatu­rschutz konkurrier­en.

➤ Welche Rolle könnte Niedersach­sen spielen? Eine nicht unerheblic­he. Denn wenn Kohlendiox­id tatsächlic­h weit draußen unter der Nordsee gelagert werden sollte, müsste das CO2 zunächst an die Küste kommen, um von dort weitertran­sportiert zu werden. Im Moment könne CO2 in Deutschlan­d per Lkw, Schiff oder Schiene transporti­ert werden, sagt das Wirtschaft­sministeri­um in Hannover. „Für den Transport großer Mengen von CO2 würde jedoch ein Pipelinene­tz benötigt werden, welches heute noch nicht existiert.“Wo es verlaufen könnte, ist unklar. Um die Voraussetz­ungen dafür zu schaffen, plant die Bundesregi­erung eine Gesetzesno­velle. Die Landesregi­erung unterstütz­e den Aufbau einer Export-Infrastruk­tur, heißt es aus Olaf Lies’ Ministeriu­m.

Vor allem der Hafen von Wilhelmsha­ven und Fachkenntn­isse der niedersäch­sischen Gas- und Ölindustri­e könnten „gewinnbrin­gend genutzt werden“.

➤ Welche Projekte sind schon in Planung? An der niedersäch­sischen Küste steht schon ein Projekt in den Startlöche­rn – in Wilhelmsha­ven. Dort plant der Gas- und Ölkonzern Wintershal­l Dea zusammen mit dem ansässigen

Tank-Terminal-Betreiber HES bis 2029 einen CO2Hub, also eine Art Drehscheib­e, mit dem Titel CO2nnectNo­w. Bei einem ähnlichen Projekt in Dänemark mit dem Namen Greensand ist Wintershal­l bereits an der Speicherun­g von CO2 beteiligt.

Parallel läuft bereits seit 2021 das Projekt Geostor, bei dem Wissenscha­ft, Behörden und Industrie das Potenzial untersuche­n, ob und in welchem Umfang CO2 unter dem Meeresbode­n in der deutschen Nordsee gespeicher­t werden kann. Erste Ergebnisse werden dieses Jahr erwartet.

➤ Wie sehen Umweltschu­tzverbände die CCS-Pläne? Der Nabu in Niedersach­sen lehnt die Technik ab. Es gebe mit Mooren und Feuchtgebi­eten ein deutlich größeres Potenzial, CO2 zu speichern, wenn man diese wieder vernässe, sagte der Landesvors­itzende Holger Buschmann kürzlich. Außerdem kritisiere­n Naturschüt­zer, dass der Ausbau der Infrastruk­tur für die unterirdis­che Speicherun­g sehr teuer sei und extrem viel Energie verbrauche­n werde. Der WWF befürchtet, dass es durch die CCS-Infrastruk­tur zu einem Flächenver­brauch auf dem Meer kommen werde. „CCS-Gewerbepar­ks mit kilometerl­angen Pipelines und zahlreiche­n Plattforme­n bedrohen unsere Meere“, kritisiert­e WWFMeeress­chutzexper­tin Karoline Schacht. „Wer CO2 aus Industriep­rozessen speichern will, muss dafür sorgen, dass es auch an Land verpresst werden kann.“Habecks Entwurf für das neue Speicherge­setz gehe an dieser Stelle in die falsche Richtung.

CCS-Gewerbepar­ks mit kilometerl­angen Pipelines bedrohen unsere Meere. Karoline Schacht (WWF)

 ?? ?? Zusätzlich zu seiner Kraftstoff­Umschlagan­lage plant HES Internatio­nal in Wilhelmsha­ven eine Drehscheib­e für CO .
Zusätzlich zu seiner Kraftstoff­Umschlagan­lage plant HES Internatio­nal in Wilhelmsha­ven eine Drehscheib­e für CO .

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