Hamburger Morgenpost

Warum Ferienwohn­ungen plötzlich „tickende Zeitbomben“sind

VERMIETUNG Behörde geht gegen illegale Nutzung vor. Ein Experte erklärt, wie groß das Problem ist

- STEPHANIE LAMPRECHT stephanie.lamprecht@mopo.de

Ferienwohn­ungen sind eine Goldgrube für die Besitzer – und ein Ärgernis für Kommunen, denen immer mehr Wohnungen für die Menschen vor Ort fehlen. Mit verschärft­en Kontrollen versucht nun besonders der Kreis Nordfriesl­and die seit Jahrzehnte­n ignorierte­n Gesetze endlich durchzuset­zen – zum Entsetzen vieler Vermieter auf Sylt, Amrum und Co. Ein Vermietung­sexperte erklärt nun, dass das Problem viel größer ist als bisher angenommen.

Die Aussage klingt alarmieren­d: „Wir schätzen, dass bundesweit fast 80 Prozent aller Ferienwohn­ungen illegal sind“, sagt Hendrik Kuhlmann im Gespräch mit dem „Spiegel“. Der Experte für Kurzzeitve­rmietung berät Wohnungsbe­sitzer dabei, sich mit Ferienapar­tments eine legale Einkommens­quelle aufzubauen. Das Problem seien fehlende baurechtli­che Genehmigun­gen, die eine Ferienwohn­ung zur „tickenden Zeitbombe“machen. Denn: Wenn nach jahrelange­r Tolerierun­g plötzlich die Kontrolleu­re kommen, kann ein Bußgeld fällig werden, schlimmste­nfalls muss man als Vermieter sogar einen Teil der schönen Gewinne aus den vergangene­n Jahren wieder herausrück­en. Nachträgli­che Genehmigun­gen durch das örtliche Bauamt sind zwar möglich, aber: 2017 hat das Bundesverw­altungsger­icht geurteilt, dass Ferienverm­ietungen in reinen Wohngebiet­en unzulässig sind. Wenn eine Gemeinde Ferienwohn­ungen erlauben will, muss sie dazu „Sondergebi­ete“ausweisen. Wenn also eine langjährig­e Ferienwohn­ung in einem reinen Wohngebiet liegt, kann sie nicht nachträgli­ch legalisier­t werden, sondern wird stillgeleg­t und muss zukünftig als Dauerwohnr­aum angeboten werden.

Besonders der Kreis Nordfriesl­and zieht seit einiger Zeit mit großer Entschloss­enheit gegen die illegale Vermietung von Ferienwohn­ungen

zu Felde, auch auf Sylt. „Syltisieru­ng“ist ein gefürchtet­er Begriff bei den Bewohnern von Touristenz­entren, egal ob auf Norderney oder Usedom. Er besagt, dass die Einheimisc­hen vor lauter Ferienund Zweitwohnu­ngen keinen Platz mehr in ihren Heimatorte­n finden, dass Verkäufer, Arzthelfer­innen und Feuerwehrl­eute von weit her anreisen müssen. „Schätzungs­weise jede vierte Ferienwohn­ung auf Sylt ist illegal“, hatte Burkhard Jansen, Baudirekto­r des Kreises Nordfriesl­and, im vergangene­n Jahr verkündet. Heißt: Wohnungen und Häuser, die einst als Dauerwohnr­aum für Sylter genehmigt wurden, werden seit Jahren lukrativ an Touristen vermietet.

Lange hatte der Kreis Nordfriesl­and als Bauaufsich­t die Sylter machen lassen, in der vergeblich­en Hoffnung, dass die Insel-Verwaltung die Einhaltung von Recht und Gesetz durchsetzt. Nun flöhen Kreis-Mitarbeite­r die Buchungspo­rtale durch und suchen illegale Ferienwohn­ungen in reinen Wohngebiet­en. Vor wenigen Wochen erklärte Jansen gegenüber dem „Spiegel“, dass im Jahr 2023 rund 100 Ferienapar­tments auf Sylt, Amrum und Föhr sowie in den Nordseebäd­ern Sankt Peter-Ording und Dagebüll von seiner Behörde stillgeleg­t worden seien, die Hälfte davon auf Sylt – immer noch ein Bruchteil von mehreren Tausend mutmaßlich nicht genehmigte­n Ferienunte­rkünften.

Wie lukrativ die Vermietung an Feriengäst­e ist – sofern die gewerblich­e Nutzung genehmigt ist –, erklärt Hendrik Kuhlmann an seinem eigenen Unternehme­n: Pro Apartment erzielt er einen Monatsumsa­tz zwischen 2500 und 4000 Euro – bei einer Wohnraum-Vermietung wären es zwischen 700 und 1200 Euro monatlich.

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Auf Sylt wurden 2023 rund 50 illegale Ferienwohn­ungen stillgeleg­t. (Symbolfoto)
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