Warum Ferienwohnungen plötzlich „tickende Zeitbomben“sind
VERMIETUNG Behörde geht gegen illegale Nutzung vor. Ein Experte erklärt, wie groß das Problem ist
Ferienwohnungen sind eine Goldgrube für die Besitzer – und ein Ärgernis für Kommunen, denen immer mehr Wohnungen für die Menschen vor Ort fehlen. Mit verschärften Kontrollen versucht nun besonders der Kreis Nordfriesland die seit Jahrzehnten ignorierten Gesetze endlich durchzusetzen – zum Entsetzen vieler Vermieter auf Sylt, Amrum und Co. Ein Vermietungsexperte erklärt nun, dass das Problem viel größer ist als bisher angenommen.
Die Aussage klingt alarmierend: „Wir schätzen, dass bundesweit fast 80 Prozent aller Ferienwohnungen illegal sind“, sagt Hendrik Kuhlmann im Gespräch mit dem „Spiegel“. Der Experte für Kurzzeitvermietung berät Wohnungsbesitzer dabei, sich mit Ferienapartments eine legale Einkommensquelle aufzubauen. Das Problem seien fehlende baurechtliche Genehmigungen, die eine Ferienwohnung zur „tickenden Zeitbombe“machen. Denn: Wenn nach jahrelanger Tolerierung plötzlich die Kontrolleure kommen, kann ein Bußgeld fällig werden, schlimmstenfalls muss man als Vermieter sogar einen Teil der schönen Gewinne aus den vergangenen Jahren wieder herausrücken. Nachträgliche Genehmigungen durch das örtliche Bauamt sind zwar möglich, aber: 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht geurteilt, dass Ferienvermietungen in reinen Wohngebieten unzulässig sind. Wenn eine Gemeinde Ferienwohnungen erlauben will, muss sie dazu „Sondergebiete“ausweisen. Wenn also eine langjährige Ferienwohnung in einem reinen Wohngebiet liegt, kann sie nicht nachträglich legalisiert werden, sondern wird stillgelegt und muss zukünftig als Dauerwohnraum angeboten werden.
Besonders der Kreis Nordfriesland zieht seit einiger Zeit mit großer Entschlossenheit gegen die illegale Vermietung von Ferienwohnungen
zu Felde, auch auf Sylt. „Syltisierung“ist ein gefürchteter Begriff bei den Bewohnern von Touristenzentren, egal ob auf Norderney oder Usedom. Er besagt, dass die Einheimischen vor lauter Ferienund Zweitwohnungen keinen Platz mehr in ihren Heimatorten finden, dass Verkäufer, Arzthelferinnen und Feuerwehrleute von weit her anreisen müssen. „Schätzungsweise jede vierte Ferienwohnung auf Sylt ist illegal“, hatte Burkhard Jansen, Baudirektor des Kreises Nordfriesland, im vergangenen Jahr verkündet. Heißt: Wohnungen und Häuser, die einst als Dauerwohnraum für Sylter genehmigt wurden, werden seit Jahren lukrativ an Touristen vermietet.
Lange hatte der Kreis Nordfriesland als Bauaufsicht die Sylter machen lassen, in der vergeblichen Hoffnung, dass die Insel-Verwaltung die Einhaltung von Recht und Gesetz durchsetzt. Nun flöhen Kreis-Mitarbeiter die Buchungsportale durch und suchen illegale Ferienwohnungen in reinen Wohngebieten. Vor wenigen Wochen erklärte Jansen gegenüber dem „Spiegel“, dass im Jahr 2023 rund 100 Ferienapartments auf Sylt, Amrum und Föhr sowie in den Nordseebädern Sankt Peter-Ording und Dagebüll von seiner Behörde stillgelegt worden seien, die Hälfte davon auf Sylt – immer noch ein Bruchteil von mehreren Tausend mutmaßlich nicht genehmigten Ferienunterkünften.
Wie lukrativ die Vermietung an Feriengäste ist – sofern die gewerbliche Nutzung genehmigt ist –, erklärt Hendrik Kuhlmann an seinem eigenen Unternehmen: Pro Apartment erzielt er einen Monatsumsatz zwischen 2500 und 4000 Euro – bei einer Wohnraum-Vermietung wären es zwischen 700 und 1200 Euro monatlich.