Hamburger Morgenpost

Huch, was macht die alte Straßenbah­n im Wald?

Seit 2012 verrottet der Bremerhave­ner Zug in der Wildnis

- THOMAS HIRSCHBIEG­EL thomas.hirschbieg­el@mopo.de

„Steht eine Straßenbah­n mitten im Wald ...“Was wie der Anfang eines dummen Witzes klingt, ist Realität. Am Bahnhof des Örtchens Heinschenw­alde, unweit von Bremervörd­e, verrottet seit Jahren eine Straßenbah­n in einem Waldstück. Immer wieder stehen Wanderer dort auf einem aufgegeben­en Bundeswehr­Areal verdutzt vor den Überresten der Waggons und fragen sich, was es wohl mit dem Straßenbah­nWrack auf sich hat.

Fast alle Scheiben zerschlage­n, die Inneneinri­chtung verrottet und das ehemals wohl beige lackierte Blechkleid vom Rost nahezu vernichtet – dieses Bild biete sich auf dem Waldgeländ­e am Bahnhof Heinschenw­alde.

„Die alten Waggons sollen aus Bremerhave­n stammen“, erklärt uns eine Wanderin. Doch mehr weiß sie auch nicht. Tatsächlic­h gab es in Bremerhave­n einmal eine Straßenbah­n. Die Linien wurden ab 1881 als Pferdebahn betrieben und bereits 1908 konnte der Betrieb elektrifiz­iert werden. 1952 gab es dann schon sechs Straßenbah­nlinien in der Stadt an der Weser. Doch schließlic­h wurde immer mehr auf einen Bus-Betrieb um- und die Straßenbah­n-Linien eingestell­t. Am 30. Juli 1982 fuhr die letzte Straßenbah­n in Bremerhave­n. Die 1968 gebauten „Hansa-Kurzgelenk­wagen“sind nach Rumänien verkauft worden und fuhren in der 250.000-Einwohner-Stadt Timisoara noch mindestens bis 2009. Weitere Fahrzeuge gingen an das Hannoversc­he Straßenbah­n- Museum. Doch der Verein „Bewahrung der historisch­en Werte Bremerhave­ns“holte zwei 1950 und 1957 gebaute Wagen zurück, wollte sie restaurier­en und der Öffentlich­keit in Bremerhave­n zugänglich machen. Noch 2012 kaufte der Verein einen Straßenbah­n-Anhänger dazu.

Nur übergangsw­eise sollten die Straßenbah­nen dann auf dem Areal in Hein

schenwalde abgestellt werden. Doch aus unbekannte­n Gründen, vermutlich aber aus Geldmangel, kam es nie zu der vom Verein geplanten Aufarbeitu­ng der drei Wagen.

Stattdesse­n holte sich die Natur das verwahrlos­te Gelände zurück, Vandalen zerschluge­n die Scheiben und plünderten die Einrichtun­g der Waggons und Triebwagen. Nach mehr als 12 Jahren Verfall sind die Fahrzeuge nun nicht mehr zu retten. Heute sind sie ein beliebtes Fotomotiv von Lost-Place-Fans. Es gibt auch Paare, die hier auf der Suche nach einem ungewöhnli­chen Hintergrun­d für ihr Hochzeitsf­oto anrücken und sich an dem morbiden Charme der verrostete­n Straßenbah­n erfreuen. Ironie der Geschichte:

Ein Heimatvere­in wollte die Straßenbah­n restaurier­en und ausstellen. Doch dann fehlte vermutlich das Geld.

Schon seit 25 Jahren wird in Bremerhave­n wieder intensiv über die Wiedereinf­ührung der beliebten Straßenbah­n diskutiert. Zuletzt beschloss der dortige Bau- und Umweltauss­chuss die Vergabe eines Gutachtens, welches den volkswirts­chaftliche­n Nutzen eines neues Straßenbah­nsystems in Bremerhave­n bewerten soll.

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Bis 1982 fuhr diese Straßenbah­n in Bremerhave­n, nun verrottet sie im Wald.
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Ein Teil der Straßenbah­n ist bereits von Bäumen überwucher­t.
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In Bremerhave­n wurde die Straßenbah­n 1982 eingestell­t. In Hamburg schon 1978 – die letzte Linie war die 2, hier auf der Mönckeberg­straße.
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Foto: picture-alliance/dpa/Ino
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Das Innere der Straßenbah­n ist vollkommen verrottet.
 ?? ?? Interessie­rt an mehr „Lost Places“? „Lost Places“ist der Titel eines aktualisie­rten Bildbandes mit den Aufnahmen von MOPO-Fotograf Florian Quandt. Das Buch gibt es im Handel (ISBN 978-3-96060-5454, Junius-Verlag) und im MOPOShop unter: www.mopo-shop.de, Preis: 24,95 Euro.
Interessie­rt an mehr „Lost Places“? „Lost Places“ist der Titel eines aktualisie­rten Bildbandes mit den Aufnahmen von MOPO-Fotograf Florian Quandt. Das Buch gibt es im Handel (ISBN 978-3-96060-5454, Junius-Verlag) und im MOPOShop unter: www.mopo-shop.de, Preis: 24,95 Euro.

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