„Ich fühlte mich nicht willkommen“
ALBUM „Cowboy Carter“: Darum taucht Beyoncé jetzt tief in die Country-Geschichte ein
Macht R&B-Star „Queen Bey“jetzt etwa CountryMusik? Das fragten sich Millionen Beyoncé-Fans nach der überraschenden Albumankündigung während des „Super Bowls“im Februar. Jetzt ist „Cowboy Carter“auf dem Markt – eine beeindruckende Interpretation des Americana-Genres und eingängiger als die letzten Werke von Beyoncé mit Country, Folk, Rhythm and Blues – und vielen Hits. Da wäre zum Beispiel das Lied „Daughter“, das sich mit einer fingergepickten Gitarrenmelodie und Streichern langsam zu einer schwindelerregenden FolkOde mit Operngesang hochschraubt. Oder der Song „16 Carriages“: Er überzeugt mit einem stampfenden Beat, Orgel-Klängen und Steel-Gitarre. Im Zentrum der 27 (!) Lieder steht immer Beyoncés beeindruckend starker Gesang.
Auf dem Album haben nicht nur Popstars wie Miley Cyrus oder Post Malone, sondern auch Kult-Country-Acts wie Willie Nelson und Dolly Parton mitgemacht. Von Letzterer hat Beyoncé den Hit „Jolene“gecovert. Nur dass der Song in ihrer Version nicht von einer verzweifelten Frau handelt, die eine Rivalin anbettelt, ihr nicht den Mann zu rauben. Beyoncé singt: „Leg dich bloß nicht mit mir an.“Wie üblich strotzt das Album von selbstermächtigenden feministischen Botschaften.
Die Single „Texas Hold ’Em“hat es direkt an die Spitze der US-CountryCharts geschafft – als erste Solo-Single einer schwarzen Frau in der Geschichte dieser Charts. Sie fühle sich geehrt, kommentierte die 42-Jährige per Instagram – und stellte gleich klar: „Meine Hoffnung ist, dass in Zukunft der Hinweis auf die Abstammung eines
Künstlers in Hinblick auf die Veröffentlichung von Musikgenres irrelevant sein wird.“Denn: „Das ist kein Country-Album. Das ist ein Beyoncé-Album.“Seit fünf Jahren arbeite sie daran. „Geboren wurde es aus einer Erfahrung, die ich vor Jahren hatte und bei der ich mich nicht willkommen fühlte ... und es war klar, dass ich es nicht war.“
Dabei könnte es sich um einen Auftritt von Beyoncé und den Dixie Chicks bei den „Country Music Awards“2016 handeln, der von vielen Zuschauern scharf kritisiert und teils rassistisch beleidigt wurde. Die Veranstalter löschten Social-MediaPosts – verteidigten die Künstlerinnen aber nicht. „Aufgrund dieser Erfahrung
bin ich tiefer in die Geschichte der Country-Musik eingetaucht und habe unser reiches musikalisches Archiv studiert“, schreibt Beyoncé. Sie wolle mit dem Album Barrieren überwinden, sich selbst herausfordern und die Grenzen von Musikgenres erweitern und verschmelzen.
Die etablierte Country-Szene mit Hauptsitz in Nashville zeigte daran kaum Interesse, und auch die CountryRadiosender schenkten den beiden Singles wenig Aufmerksamkeit. Aber, betonte gerade noch einmal die „New York Times“: „Beyoncé macht ,Cowboy Carter‘ nicht, um Country zu infiltrieren, sondern als künstlerisches und politisches Statement.“Es gehe ihr darum, „wie die Kreativität von schwarzen Menschen alle Winkel populärer Musik vorantreibt. Sie umarmt die Musik, nicht die Industrie.“Es ist ein politisches und geschichtsbewusstes Album – und musikalisch ein großer Wurf.