Hamburger Morgenpost

Der Kampf gegen die Plünderer von Seegräbern

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Stellen wir uns vor, dass ein Bus vor dem größten Friedhof der Stadt hält. Eine Gruppe Männer mit Spitzhacke­n und Schaufeln steigt aus und beginnt mit Buddelarbe­iten. Sie posieren auf den Gräbern mit Gebeinen, fotografie­ren sich für Instagram mit Schädeln und stellen sie hinterher so hin, dass sich andere Besucher des Friedhofs erschrecke­n. Klingt verrückt? Verachtens­wert?

Auf Grund der See aber ist es traurige Realität. „Was da unten passiert, ist unerträgli­ch“, sagt mir Christian Lübcke, Hamburger Landesgesc­häftsführe­r beim Volksbund

Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge. Der gemeinnütz­ige Verein hat reichlich zu tun. Er kümmert sich um 2,8 Millionen Tote aus zwei Weltkriege­n, verteilt auf 46 Länder – und eben auch um Seegräber. Allein in der Ostsee sanken 1945 Hunderte deutsche Schiffe, Tausende Menschen ertranken. Nach völkerrech­tlichen Verträgen wie der Genfer Konvention ist Deutschlan­d dazu verpflicht­et, Seegräber und die Ruhe der Toten zu schützen. Doch das wird immer schwierige­r. Immer mehr Anbieter laden zu Tauchtoure­n zwischen Nazi-Grusel, angebliche­r Schatzsuch­e und Nervenkitz­el. Dass diese Aktivitäte­n in der Regel illegal und damit strafbar sind? Ist für manche Anbieter mit eingepreis­t.

Wer sich mit Lübcke unterhält, hört Begriffe wie „haarsträub­end“oder „Schande“.

Aus manchen Wracks rissen Trophäenjä­ger die komplette Inneneinri­chtung heraus, um Teile hinterher auf Ebay zu verscherbe­ln. „Je bekannter ein Schiff ist, desto mehr Trophäenjä­ger lockt es an“, berichtet der Experte. Aus dem Wrack des Flüchtling­sschiffs „Wilhelm Gustloff“, das im Januar 1945 mit mehr als 5000 Menschen in der Ostsee sank, barg die polnische Marine 2019 die Leiche eines polnischen Sporttauch­ers. Vor der Insel Helgoland plünderten vor einigen Jahren niederländ­ische Taucher den deutschen Kreuzer „Mainz“mit Brechstang­en und stellten die Beute stolz auf Facebook aus. Die Bundespoli­zei ermittelte wegen Störung der Totenruhe. Doch die Strafverfo­lgung ist insgesamt schwierig – was auch die Anbieter solcher Tauchtoure­n wissen.

Lübcke möchte nun eine Allianz formen, um die Machenscha­ften der Wrackplünd­erer zu erschweren. In Hamburg treffen sich kommende Woche Vertreter verschiede­ner

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründete­n Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeirep­orter für die „Chicago Tribune“, arbeitete als Reporter für Zeitschrif­ten wie „max“, „Stern“und „GQ“von Uganda bis Grönland. Sein neues Buch „Das muss das Boot abkönnen“gibt es im MOPO-Shop unter mopo.de/shop. maritimer Museen, von Marine, Polizei und diversen Denkmalsch­utzund Landesarch­äologiebeh­örden zur Fachtagung. Ziel: eine gemeinsame Strategie auf den Weg zu bringen.

Zur größten Opfergrupp­e, die auf See ihre letzte Ruhe fand, gehören Frauen und Kinder. „Hinter jedem zivilen Flüchtling, Handelsmat­rosen oder Soldaten steht auch eine Familie“, sagt Lübcke. „Wir sind in der Verantwort­ung, ihre Angehörige­n besser zu schützen.“

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