Die verfallene Minen-Fabrik im Wald
BREMERVÖRDE 1944 wollten Deutsche hier einen US-Piloten lynchen
„Marine-Sperrwaffenarsenal“– ein solches Wort können sich wirklich nur deutsche Militär-Bürokaten ausdenken. Die Überreste davon befinden sich in einem Waldstück in Heinschenwalde bei Bremervörde. Die Engländer haben nach Kriegsende die Bunker dort gesprengt. Und 1944 wäre es auf dem Gelände beinahe zu einem Lynchmord gekommen …
Unmittelbar nach der Machtergreifung der Nazis 1933 begannen die Arbeiten auf dem Gelände. Die Kriegsmarine wollte hier eine Fabrikationsanlage für Seeminen („Sperrwaffen“) errichten, man entschied sich als Standort für den Forst Hinzel, weil die Bäume dort einen guten Sichtschutz boten und feindliche Bomberflugzeuge ihr Ziel nicht finden konnten. Die Rechnung der
Militärs ging bis Kriegsende auf, es kam durch die Luftangriffe der Alliierten zu keinen nennenswerten Schäden.
Mit deutscher Gründlichkeit wurde auf dem riesigen Areal dann alles geplant. Angehörige
des „Reichsarbeitsdienstes“(RAD) errichteten ein Netz von Straßen und bauten auch das Schienennetz für eine Schmalspurbahn. Deren Züge transportierten die Seeminen von Munitionslagerhäusern zur nahen Bahnlinie Bremerhaven–Buxtehude. Von dort gingen die Güterzüge mit der explosiven Fracht zu den Kriegshäfen Bremerhaven und Cuxhaven.
Ende 1936 war die Minenfabrik im Wald fertiggestellt. Während des Zweiten Weltkriegs wurden dort neben Hunderten Marineangehörigen auch Zwangsarbeiter sowie Kriegsgefangene eingesetzt. Einen Kilometer neben dem Waffenarsenal befand sich das Kriegsgefangenenlager Bokelah. Um einen US-amerikanischen Kriegsgefangenen wiederum rankt sich eine dramatische Geschichte. Die Flak schoss im August 1944 einen US-Bomber über Bremervörde ab. Der Pilot konnte sich damals mit dem Fallschirm retten und landete in einem Baum mitten im Sperrwaffenarsenal. Bauern aus der Umgebung hatten den Absprung verfolgt und machten sich mit Spitzhacken und Mistgabeln bewaffnet auf, um den Piloten zu erschlagen. Doch ein deutscher Offizier stellte sich mit gezückter Pistole vor den Mann und bewahrte ihn so vor dem Lynchmord. Nach Kriegsende hatte diese Rettung unerwartete Folgen. Die Familie des abgesprungenen US-Leutnants besaß eine Fabrik für Eipulver. Und eines Tages kamen auf dem Bahnhof Heinschenwalde drei Waggons voller Eipulver an – ein Segen für die hungernde Bevölkerung. Es wurde eine riesige Bratpfanne mit einem Durchmesser von rund 60 Zentimetern geschmiedet und darin wurden große Mengen Rührei mit Bratkartoffeln zubereitet.
Die Briten hatten da schon viele Bunker auf dem Arsenal gesprengt. Um das Jahr 2000 sind die meisten Reste abgerissen worden. Wer Interesse an einer Führung über das Areal hat, kann sich beim Waldpädagogen Jörn Freyenhagen melden (Tel. 0171270 31 56).