Neun Minuten nach dem Start stürzt er vom Himmel
UNGLÜCK Fünf Menschen sterben. Als die Ursache feststeht, herrscht Fassungslosigkeit
wurde jedoch wenige Tage später überschattet – als die Ursache des Unglücks feststand.
Am 14. März 2002 hatten Pilot Dieter „Didi“S. (42), Rettungsassistent Michael K. (34), Bordmechaniker Dirk von S. (32), die Bundeswehrärztin im Praktikum Karen H. (28) und Notarzt Claus G. (44) vom Krankenhaus Heidberg gemeinsam Dienst. Ihr erster Einsatz an diesem Donnerstagmorgen: Sie hoben ab, um den Opfern eines Verkehrsunfalls zu helfen. Doch nach nur zwei Minuten
Flugzeit bekamen die fünf Retter die Nachricht, dass ihre Hilfe doch nicht benötigt wird. Der aus der Fernsehserie
„Die Rettungsflieger“bekannte Hubschrauber sollte zurück zum Stützpunkt am Bundeswehrkrankenhaus Wandsbek. Doch er kehrte nicht mehr zurück. Neun Minuten nach dem Start stürzte die Maschine über einem Kleingartenverein am Lademannbogen in Hummelsbüttel ab. Aus rund 150 Metern Höhe schlug der „SAR 71“auf den Boden auf. Der knapp 15 Meter lange Rotor des Hubschraubers bohrte sich in einen geparkten Kleintransporter. Trümmerteile flogen durch die Luft. Das Wrack geriet in
Brand. Feuerwehr, Notärzte und Rettungswagen eilten zur Unglückstelle. Es spielten sich dramatische Szenen ab. Für viele Retter ein kaum auszuhaltendes Bild. Sie konnten ihren Kameraden nicht mehr helfen. Auch der Vater des Notarztes Claus G. (Vater einer einjährigen Tochter), der im Radio von dem Unglück gehört hatte, eilte mit seinem Fahrrad zum Unglücksort. Mehrere Zeugen berichteten davon, dass die Maschine senkrecht „wie ein Stein“nach unten gestürzt sei. Zudem hätten sich ein
zelne Teile schon vor dem Absturz gelöst. Spezialisten des Landeskriminalamtes sicherten Spuren. Experten des Luftfahrtbundesamtes und der Generalflugsicherheit nahmen die Ermittlungen auf. Die Absturzstelle wurde zum „militärischen Sicherheitsbereich“erklärt. Ein technischer Defekt wurde anfangs als Ursache vermutet. Fünf Tage nach der Katastrophe nahmen rund 600 Menschen, darunter viele Angehörige, in einem Hangar bei Rendsburg Abschied von den Opfern. Einen Tag danach fand eine Gedenkfeier im Michel statt, an der auch Politiker teilnahmen. Der damalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) reagierte entsetzt. „Dass ausgerechnet Menschen, die sich selbst für die Rettung anderer einsetzen, bei einem solchen Unglück sterben, ist erschütternd.“Olaf Scholz, damals SPD-Chef, äußerte sich ähnlich: „Ich weiß, mit welchem Engagement die Hamburger Lebensretter ihre Arbeit tun. Wir sollten die Einsatzbereitschaft dieser Menschen nie vergessen.“
Viele Menschen konnten die Katastrophe noch immer nicht fassen, als nach einer Woche die Frage nach dem „Warum“eine grausame Antwort fand. Die Obduktion hatte ergeben: Pilot Dieter S. hatte 1,5 Promille Alkohol im Blut, der Bordmechaniker 1,2 Promille. „Bereits bei 1,1 Promille ist absolute Fahr- und Fluguntüchtigkeit gegeben“, sagte der damalige Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger. Dass der Pilot und sein Kollege unmittelbar vor dem Einsatz Alkohol getrunken hatten, wurde ausgeschlossen. Stattdessen wurde vermutet, dass es sich um „Restalkohol“handelte.