Hamburger Morgenpost

Dieses Festival ist gut für die Seele

INTERVIEW Der Macher des Baltic Soul Weekenders an der Ostsee über Geheimtipp­s und Überraschu­ngen

- Das Interview führte INGO SCHEEL

Auch in diesem Jahr zieht es Soul-Fans Anfang Mai wieder an den Weissenhäu­ser Strand – der Baltic Soul Weekender wird volljährig: Bei der 18. Ausgabe des Festivals sind unter anderen Sister Sledge, Mario Biondi, Leela James und Glenn Jones zu Gast. Wir sprachen mit Festivalma­cher Dan Dombrowe über den Stand der Dinge.

MOPOP: Hat der Baltic Soul Weekender die Pandemie endgültig hinter sich gelassen?

Dan Dombrowe: Die Veranstalt­ung selbst ist auch in diesem Jahr so gut wie ausverkauf­t. Da gibt es keine Unterschie­de zu den Buchungen vor der Pandemie. Was die Pandemie jedoch – gerade in den USA – in der Künstler-Community an „Verwüstung“hinterlass­en hat, ist nicht schönzured­en. Einige US-Künstler, die ich mit dem „Baltic Soul Charity Project“unterstütz­t habe, sind einfach innerhalb weniger Wochen verstorben. Ohne Krankenver­sicherung und ohne die nötigen finanziell­en Mittel ist man als afro-amerikanis­cher Künstler über 65 in den Vereinigte­n Staaten einfach allein gelassen.

Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Bei mir als Soloselbst­ändigem in der Veranstalt­ungsbranch­e ist die Pandemie noch lange nicht vorbei. Da ich in den zwei Jahren so gut wie keine nennenswer­te Unterstütz­ung erhalten habe, musste ich alle privaten Rücklagen aufbrauche­n, um nicht in die Privatinso­lvenz zu müssen. Ich musste mit 50 Jahren noch einmal von vorn anfangen. Ich habe in der Pandemie Holzmöbel für Catering-Unternehme­n geschleppt und morgens um 5 Uhr Prospekte ausgeteilt, um überhaupt Miete und Essen zahlen zu können. Das Schlimmste war jedoch, nicht mehr in der Lage zu sein, den Künstlern die ich mit dem „Charity Project“unterstütz­e, helfen zu können. Ich hatte selbst nichts – und die Künstler hatten noch weniger. Das war eine schmerzhaf­te Erfahrung.

Schauen wir auf das Line-up 2024: Auf wen freuen Sie sich persönlich am meisten? Und haben Sie einen Geheimtipp für uns in petto?

Ich freue mich sehr, dass Mario Biondi endlich dabei ist. Wir sind seit Jahren in Kontakt, und nun konnten wir den Auftritt endlich realisiere­n. Dass Sister Sledge zurückkomm­en, ist ebenfalls ein absolutes Highlight. Mit „We Are Family“, „Lost In Music“oder „He’s The Greatest Dancer“haben sie zeitlose Klassiker im Programm, die jeder mitsingen kann. Da es beim Baltic Soul Weekender immer wieder Unerwartet­es gibt, dürfen sich die Gäste jetzt schon auf einen Mega-Überraschu­ngsgast aus den USA am Freitagabe­nd freuen. Besteht die Gefahr, dass es bald nicht mehr genug Künstler für den Baltic Soul Weekender gibt, die Künstler und Künstlerin­nen sind ja langsam alle alt?

Nein, es gibt immer noch viele Künstler aus den Hochzeiten des Soul, der Funk- und Jazz-Musik und nur wenige Veranstalt­ungen, bei denen sie auftreten können. Dazu kommt, dass es beim Baltic Soul Weekender neben den legendären und seltenen Künstlern auch immer neue, moderne Soul-Musik als musikalisc­hen Ausgleich gibt. Beim Weekender sorge ich immer für ein ausgeglich­enes Programm, damit für alle Geschmäcke­r etwas dabei ist. Für die nächsten 20 Jahre habe ich auf jeden Fall noch Programm im Ärmel.

Das Festival hat so viele lege endäre gesslichen Größen präsentier­t Höhepunkte – welcheunve­rn fallen u Ihnen spontan ein?

Die ersten Auftritte von n Ann Sexton oder Gloria Scott nach 35 Jahren Bühnenabst­in nenz waren sehr emotional l. Der einzige Auftritt von Collins & Collins hat 3000 Gäste zu Tränen gerührt, ebenso der letzte Auftritt von Marva Whitney, einer der Damen um James Brown, die kurz nach ihrem Besuch in Deutschlan­d verstarb. Abgesehen davon, dass ich viele meiner persönlich­en musikalisc­hen Helden aus den 60ern und 70ern kennenlern­en und live sehen durfte, bin ich immer wieder sehr dankbar dafür, dass bekannte Künstler bei uns auftreten, um das „ Baltic

Soul Charity Project“zu unterstütz­en. Nur durch den persönlich­en Support von Größen wie Jan Delay oder auch Aloe Blacc als Headliner 2023 ist es möglich, Künstler zu uunterstüt­zen, die nicht so viel Glück hatten im Leben. Kann man als Festivalma­cher übert haupt genießen – oder hält die Orga einen n so auf Trab, dass dafür kaum Zeit bbleibt?

Das Festival gibt es seit 2007, es gi ilt internatio­nal als größund tes renommiert­estes Soul l-Festival Europas. In den Anf fängen war die Umsetung zu teilweise recht wild, da a man natürlich immer un nd überall gleichzeit­ig sein s musste. Seit einigen Jahren habe ich verschiede­ne Produktion­sfirmen mit ins Boot geholt, die Teile der Organisati­on und der Abwicklung übernehmen. So bleibt dann auch wieder mehr Zeit, sich auf die

Kommunikat­ion mit den Künstlern zu konzentrie­ren und das Programm zusammenzu­stellen. Ich versuche, mir soviel Zeit wie möglich zu nehmen, um die Künstler an der Bühne vor oder nach ihren Auftritten in Empfang zu nehmen. Nur so kann die enge Erfahrung mit den Acts zustandeko­mmen, über die die Künstler auch in ihren Kreisen sprechen.

➤ Baltic Soul Weekender: 3.-5.5., Wochenendt­icket ohne Übernachtu­ngen: ab 169

Euro, mit Übernachtu­ngen: ab 365 Euro, baltic-soul.de ➤ Spenden: Wer das „Baltic Soul Charity“Projekt unterstütz­en möchte, kann das mit einer einmaligen Jahresspen­de von

12 Euro via Paypal: charity@baltic-soul.de

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 ?? ?? Sinnliche Grooves und einzigarti­ge Stimme: der Italiener Mario Biondi
Sinnliche Grooves und einzigarti­ge Stimme: der Italiener Mario Biondi
 ?? ?? Veranstalt­et das Festival seit 2007: Dan Dombrowe
Veranstalt­et das Festival seit 2007: Dan Dombrowe
 ?? ?? Ein weiteres Highlight: Sister Sledge („We Are Family“) sind zurück!
Ein weiteres Highlight: Sister Sledge („We Are Family“) sind zurück!
 ?? ?? Der „Baltic Soul Weekender“steigt vom 3. bis 5. Mai am Weissenhäu­ser Strand nahe Oldenburg in Holstein.
Der „Baltic Soul Weekender“steigt vom 3. bis 5. Mai am Weissenhäu­ser Strand nahe Oldenburg in Holstein.
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Eine der spannendst­en Stimmen des zeitgenöss­ischen US-Soul: Leela James

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