Hamburger Morgenpost

Songs voller Melancholi­e, Nostalgie und Fernweh

ALBUM Ex-Dire-Straits-Kopf Mark Knopfler erzählt auf „One Deep River“viele kleine Geschichte­n

- Von PHILIP DETHLEFS

In der Öffentlich­keit macht sich Mark Knopfler meist rar. Aber wenn der ehemalige Dire-Straits-Frontmann irgendwo auftritt, ist das Interesse stets groß. So wie im Februar, als beim Londoner Auktionsha­us Christie’s rund 120 Gitarren aus seinem Besitz versteiger­t wurden. Mehr als zehn Millionen Euro erzielten die Instrument­e. Glückliche­rweise hat sich Knopfler nicht von allen getrennt. Für sein neues Album „One Deep River“hatte er noch genügend Gitarren in seinem Studio. Ein paar neue kamen dazu.

Mehr als fünf Jahre sind seit seinem letzten Album „Down The Road Wherever“vergangen, sein letztes Konzert ist viereinhal­b Jahre her. Es hat Knopfler in den Fingern gejuckt, wieder Musik zu machen. „Ja, natürlich“, sagt der 74-Jährige. Eilig habe er es jedoch nicht gehabt. „Ich bin in einer privilegie­rten Position. Wenn du ein eigenes Studio hast, kann dich niemand rausschmei­ßen. Es ist ziemlich gut, wenn man einen Ort zum Arbeiten hat.“

Ideen zu neuen Liedern habe er andauernd. „Ich hatte viel zu viele Songs“, erzählt er. „Ich kann mich nicht erinnern, wie viele Songs wir aufgenomme­n haben. Vielleicht 25 oder 30. Ich weiß es nicht. Aber es waren auf jeden Fall zu viele.“Ein Dutzend sind auf „One Deep River“, seinem zehnten Studioalbu­m, gelandet. Weitere will er zu einem späteren Zeitpunkt auf einer EP veröffentl­ichen. Knopfler hat die LP wieder mit seinem langjährig­en Kollaborat­eur, früheren Dire-Straits-Kollegen und Freund Guy Fletcher koproduzie­rt. „Guy zu haben, ist ein Vorteil. Guy und ich können jederzeit (ins Studio) schleichen und arbeiten, dafür brauche ich nicht jedes Mal eine Bandsessio­n. Aber wenn die Bandsessio­ns dann losgehen, sind sie der Höhepunkt. Das sind sie wirklich. Für alle.“Die Augen von Knopfler, der ansonsten ruhig und unaufgereg­t spricht, leuchten, während er das sagt. „Da fühlt man sich wirklich privilegie­rt. Man hat diesen Raum, ein Mann in jeder Ecke, und es ist phänomenal.“

Der in Glasgow geborene Knopfler wuchs im Nordosten Englands im Örtchen Blyth nahe Newcastle auf, in einer Region, aus der auch Musikergrö­ßen wie Hank Marvin, Eric Burdon, Sting und AC/DC-Sänger Brian Johnson stammen. Das Albumcover von „One Deep River“ziert die berühmte Bogenbrück­e über den Tyne, den tiefen Fluss, an dem Newcastle liegt. Die Kindheit als Geordie – so nennt man die Menschen, die aus der Region Tyne and Wear stammen – habe ihn geprägt. Dort zu bleiben kam für ihn jedoch nicht infrage. „Ich glaube, das Gefühl, den Tyne zu überqueren, ist für mich zu etwas Symboli

schem geworden“, erzählt der Gitarrenvi­rtuose, der seit Langem mit seiner Familie in London lebt. „Das ländliche England zu verlassen und in London oder New York zu leben, der Gedanke dahinter war, rauszukomm­en. Gestern Abend habe ich ein paar Freunde aus Newcastle getroffen. Die kennen jede Straße, wie Rallyefahr­er, sie kennen jedes Schlagloch und werden ihre Heimat nie verlassen. Und so bin ich nicht.“

Nach so langer Zeit klingt die neue Musik von Mark Knopfler angenehm vertraut. Dieser markante Gitarrenso­und und die warme, sanfte ar onSwing“oder „Brothers In Arms“. Die neuen Lieder sind gewohnt unbeschwer­t, fast gemütlich und dabei voller Melancholi­e, Nostalgie unnd Fernweh.

KKnopfler erzählt unterschie­dliche kleine Geschichte­n, nicht nur aus dem Nordosten Englands. Er singt von Gehveruche­n sGehveruch­en als Musiker („Two Pairs Of Hands“, „Ahead Of The Gamme“), der Arbeit auf einem Schrotttpl­atz („Scavenger‘s Yard“) und dem Eisenbahnr­aub in Oregon vor rund 100 Jahren („Tunnel 13“). Sttilistis­ch mischt er dabei wie geewohnt Einflüsse aus Blues, Folk, Country und Rock ‘n‘ Roll mmit starkem Americana-Einschlag. sEinschlag. Ein Höhepunkt ist „Sweeter Than The Rain“. Die Westernbal­ladeW erinnert an dend großen Johnny Cash. MarkM Knopflers Leidenscha­ft für die Gitarre, die in seiner Kindheit durch Hank Marvin und dessen Band The Shadows geweckt wurde, ist ungebroche­n. Auf „One Deep River“sind auch ganz neu angeschaff­te Instrument­e zu hören. „Ich habe eine kleine Gitarre gefunden, die ich auf vier oder fünf Songs des Albums spiele“, verriet er am Rande der Christie’s-Auktion. Auch wenn er sich von einem beachtlich­en Teil seiner riesigen Kollektion verabschie­det hat, werde er weiter Gitarren sammeln, versichert Knopfler. „Das hört nie auf.“

„One Deep River“: ab 12.4. via Universal Music

Ich habe Freunde, die werden ihre Heimat nie verlassen. Aber so bin ich nicht.

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Obwohl er so viele seiner Gitarren versteiger­n ließ, habe er noch genug für neue Songs, sagt Mark Knopfler.
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Knopflers „One Deep River“ist Mark zehntes Solo-Studioalbu­m.

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