Hamburger Morgenpost

Baustellen-Flut in Hamburg: Notwendig oder Irrsinn?

- JULIAN KÖNIG julian.koenig@mopo.de CHRISTIAN BURMEISTER christian.burmeister@mopo.de

Nerven mich die vielen Baustellen in der Stadt? Blöde Frage! Ich lebe im Bezirk Altona. Hier reiht sich Baustelle an Baustelle. Es ist eine Zumutung für alle Verkehrste­ilnehmer, doch leider notwendig. Deshalb kann ich den Brass, den viele auf Verkehrsse­nator Anjes Tjarks (Grüne) haben, nicht nachvollzi­ehen. Über Jahrzehnte wurden die Straßen nicht erneuert. Die Kraterland­schaften, die wir Winter für Winter sehen, sind eine Folge. Rohre, Leitungen – in vielen Teilen der Stadt ist alles rott. Nun kann man sagen: Aber das reicht doch an Sanierung, muss man denn auch gleich überall Velorouten einbauen, Gehwege

In Hamburg bedeutet Mobilitäts­wende momentan leider oft Mobilitäts­ende! Autofahrer und allen voran Pendler können davon ein Lied singen. Manchmal poppen Baustellen über Nacht auf und machen ein Ankommen zur ziemlichen Nervenprob­e. Besonders krass ist die Situation zuletzt in Altona gewesen: Dort wird an der Max-Brauer-Allee, der Königstraß­e, der Ehrenbergs­traße, der Palmaille, dem Holstenpla­tz und an der Sternbrück­e gleichzeit­ig gebaut (Liste vermutlich unvollstän­dig). Aber auch in Eimsbüttel oder zuletzt in der City ist die Lage nicht viel besser. Mal ist es eine Fahrbahner­neuerung, mal Erdarbeite­n zur verbreiter­n, Parkplätze dafür opfern? Ja, aber sicher! Sind Sie schon mal auf der Max-Brauer-Allee mit dem Rad unterwegs gewesen? Lebensgefä­hrlich! Viele Gehwege der Stadt sind so eng, dass man kaum nebeneinan­der laufen kann. Die Stadt muss umbauen. Es geht um Klimaziele und Lebensqual­ität. Neulich war ich in Paris. Dort werden ganze Straßen für den Autoverkeh­r nach und nach gesperrt. Die Menschen haben sich die autofreien Straßen zurückgeho­lt. Überall wurde gespielt, gepflanzt und zusammenge­sessen. Lebensfreu­de pur. Ich bin sicher, dass die Skeptiker überzeugt werden können, wenn sie diesen Mehrwert erleben. Um Akzeptanz zu schaffen, müssen die Alternativ­en stimmen. Heißt vor allem: Das ÖPNV-Netz muss besser werden. Wenn Sie mich fragen: Das ist leide er eine noch viel größere Baustelle.

Verlegung von Kabeln, mal Arbeiten bei der Bahn, mal ein neuer Fahrradweg (60 Kilometer pro Jahr!) und manchmal auch ein Wasserrohr­bruch. Das Ergebnis ist aber immer dasselbe: Autofahrer verplemper­n Zeit. Natürlich ist es unumgängli­ch, dass notwendige Sanierungs­arbeiten auch vorgenomme­n werden. Aber es entsteht häufiger der Eindruck, als geschehe dies ziemlich unkoordini­ert und zufällig. Manche Autofahrer neigen gar zu der Verschwöru­ngstheorie, die grüne Verkehrsbe­hörde mache das Autofahren absichtlic­h unattrakti­v, um die Hamburger zu einem Umstieg auf die Öffentlich­en zu „animieren“. Dafür gibt es keine wirklichen Anhaltspun­kte. Aber dass der Senat über eine neue Baustellen­strategie nachdenken sollte, ist doch ziemlich augenfälli­g.

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