„Die Tote am Tatort war meine 1. Liebe“
UHLENHORST Bestatter trugen Klassenkameradin an mir vorbei
Wie gesagt, es war 1973, als die 8. Klasse einer Realschule auf Klassenreise ging. Ziel: das Städtchen Saarburg bei Trier. Wir erkundeten dort die Burg, staunten über den kleinen Wasserfall mitten in der Altstadt und hatten bei Ausflügen in Weinberge g an der Saar Spaß.p Doch Brigitte
wurde krank und musste das Bett hüten. Ich kümmerte mich ein wenig um sie, brachte ihr Getränke und Obst, wir flirteten ganz unschuldig miteinander. Aus meiner kleinen Schwärmerei als 14-Jähriger wurde nichts. Warum weiß ich heute nicht mehr. Vier Jahre später fing ich bei der MOPO als Polizeireporter an. Ich hörte Polizeifunk und versuchte für die MOPO immer als Erster am Tatort zu sein. Das gelang mir 1983 auch, als es hieß, an der Kanalstraße sei in einer Wohnung eine junge Frau ermordet worden. Tötungsdelikte waren damals an der Tagesordnung, es gab viel mehr Gewaltverbrechen als heute.
Nun stand ich also etwas gelangweilt am frühen Abend am Tatort. Ich plauderte mit einem Polizisten, er sagte über das Opfer: „Die soll als Callgirl gearbeitet haben. Da hat sie wohl ihr letzter Freier erschlagen.“Solche Morde an Prostituierten waren damals nicht selten. Kein Grund zur Aufregung für einen noch jungen, aber doch schon ziemlich abgebrühten Reporter wie mich. Ein Ermittler flüsterte mir dann den Namen des Opfers zu und ich erstarrte – es war meine Jugendliebe Brigitte.
Ich war kurz geschockt, fing mich aber wieder und machte meine Fotos. Später kam ich ins Grübeln. Brigitte, ein eher schüchternes und zurückhaltendes Mädchen ein Callgirl? Ich wollte es nicht glauben. Doch die Ermittlungen bestätigten das. Ihr viel älterer Freund geriet unter Verdacht. Von einer Lebensversicherung in Höhe von 600.000 D-Mark (300.000 Euro) war die Rede, die er für Brigitte abgeschlossen hatte.
Ich traf auf Brigittes Beerdigung ihre Eltern, sie waren überzeugt, dass der Lebensgefährte für den Mord verantwortlich war. Die Eltern sagten, dass Brigitte aufhören wollte mit der
Als Polizeireporter war MOPO-Urgestein Thomas Hirschbiegel (64) ein harter Hund. Doch manchmal wurde es persönlich. Diese Einsätze gingen ihm nah.
Prostitution, dessen Profiteur ihr Freund war. Das waren starke Indizien, doch der Lebensgefährte hatte ein Alibi. Brigittes Vater informierte mich, dass er den Freund seiner Tochter am Hauptbahnhof treffen würde, da könnte ich den Mann fotografieren. Die beiden trafen sich auf einem Bahnsteig. Ich stand auf der Fußgängerbrücke. Als ich später die Filme entwickelte, blieb ich beim Blick des Vaters hängen. Wie er den Mann ansah, werde ich nie vergessen. Der Vater war überzeugt, dass der Lebensgefährte seiner Tochter einen Mörder angeheuert hatte, der Brigitte schließlich gegen Bezahlung getötet hat. Doch Beweise gab es keine. Der Mann strich die Lebensversicherung ein und erwarb dafür eine Eigentumswohnung.
In meiner Zeit als Polieireporter z habe ich über Hunderte Morde berichet. te Die meisten Fälle hab’ ic ch vergessen, vielleicht auch a verdrängt. Doch der Mord an Brigitte hat sich mir eingebrannt. Ich denke noch oft an sie und die unbeschwerte Klassenfahrt 1973. hfr Foto:
Brigittes Lebensgefährte geriet unter Verdacht, doch die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt.