Hamburger Morgenpost

Diese Hamburgeri­n bietet den Mullahs die Stirn

Hourvash Pourkian hofft, dass Israel auf den iranischen Angriff mit aller Deutlichke­it antwortet

- Von OLAF WUNDER

Diese Frau verkörpert all das, was die Mullahs hassen: Sie ist selbstbewu­sst, erfolgreic­h, emanzipier­t, sie kämpft für Frauenrech­te, trägt keinen Schleier, kein Kopftuch. Vor allem aber ist Hourvash Pourkian (65) das Gesicht der iranischen Opposition in Hamburg. Damit lebt sie nicht gerade ungefährli­ch, denn Agenten Teherans schrecken nicht davor zurück, auch hierzuland­e Widersache­r mundtot zu machen.

„Ernsthaft passiert ist mir zwar bisher nichts“, sagt Hourvash Pourkian, „toi, toi, toi.“Aber es habe immer wieder Versuche gegeben, sie einzuschüc­htern. „Mehrmals ist es vorgekomme­n, dass wir eine Demo vor der Blauen Moschee planten – und ich kurz davor Anrufe in persischer Sprache bekam und mir eine Stimme den ,guten Rat‘ gab, auf die Demo lieber zu verzichten.“Wer Hourvash Pourkian kennt, der weiß, dass sie sich von so etwas nicht einschücht­ern lässt. Sie sprüht vor Leidenscha­ft und Energie, ist unbändig mutig. „Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir den Sturz des Mullah-Regimes noch erleben werden“, sagt sie. Eigentlich sei dessen Verfallsda­tum längst abgelaufen.

Nur noch zehn bis 20 Prozent der Bevölkerun­g Irans stünden treu zum Regime. „Seit dem Raketen- und Drohnen-Angriff auf Israel flehen viele Iraner in den sozialen Medien die israelisch­e Regierung regelrecht an, hart zu antworten und die Revolution­sgarden in Grund und Boden zu bomben. Weil das das Ende des Regimes sein könnte.“

Nichts hasst Hourvash Pourkian mehr als Unentschlo­ssenheit. Über die Untätigkei­t der deutschen Politik regt sie sich deshalb mächtig auf. „Wieso ist die Macht der Mullahs in Hamburg nicht längst gebrochen?“, fragt sie lautstark und erinnert daran, dass schon fünf Monate vergangen sind, seit im November vergangene­n Jahres Polizei, BKA und Verfassung­sschutz das Islamische Zentrum (IZH) durchsucht haben. Trotzdem gibt es bis heute kein Verbot.

„Wieso nicht? Es ist doch völlig klar, dass die Blaue Moschee das wichtigste Spionagene­st des Regimes in Deutschlan­d ist. Begreifen die Politiker eigentlich nicht, dass es sich beim IZH um den bedeutends­ten Außenposte­n Irans in Europa handelt?“

Schon lange vor den Mullahs hatte Hamburg für Perser einen hohen Stellenwer­t. Ende des 18. Jahrhunder­ts ließen sich erstmals persische Kaufleute an der Elbe nieder. In der Nachkriegs­zeit prägten iranische Teppichhän­dler das Bild der Speicherst­adt. Iranische Kaufleute sorgten 1963 für den Bau der Blauen Moschee, wobei von einer Nähe zur Regierung in Teheran noch keine Rede sein konnte. Zu jener Zeit herrschte in Teheran Schah Reza Pahlavi. Persien war ein säkularer Staat, und die iranische Botschaft in Bonn ließ zeitweise sogar die Bankkonten der Moschee sperren.

Erst nach der Islamische­n Revolution 1979, bei der die Mullahs die Macht an sich rissen, wurde das IZH zu einem Bestandtei­l des Staatsappa­rates. Wie wichtig die Blaue Moschee für die Islamische Republik Iran ist, zeigt sich schon daran, dass Teheran nur handverles­ene regimetreu­e Geistliche als Leiter entsendet. Mohammad Beheschti, von 1965 bis 1970 IZH-Chef, stieg später auf zum Obersten Richter des Landes. Mohammad Khatami, IZH-Leiter von 1978 bis 1980, brachte es 1997 sogar zum Staatspräs­identen. 1975, im Zuge der Islamische­n Revolution, kam Hourvash Pourkian gemeinsam mit ihren Eltern nach Hamburg, studierte BWL, arbeitete in der Modebrache und baute ein eigenes sehr erfolgreic­hes Modelabel auf. Als emanzipier­te Frau war sie von Anfang an eine Gegnerin des Mullah-Regimes – aber erst 2017, als es im Iran zu Aufständen kam, die vom Regime blutig niedergesc­hlagen wurden, schloss sie sich den Opposition­ellen an, wurde zu ihrer Wortführer­in.

„Wir waren es, die damit begonnen haben, die Verantwort­lichen im Rathaus und in der Bundesregi­erung wachzurütt­eln. Wir haben ihnen erklärt, was in der Blauen Moschee wirklich vor sich geht.“Das IZH behauptet von sich bis heute, „ein Ort des interrelig­iösen und interkultu­rellen Austausche­s“zu sein. Manche Politiker begriffen spät, sehr spät, dass das nicht stimmt. Inzwischen sind sich CDU, SPD, Grüne und Liberale darin einig, dass das IZH nicht länger geduldet werden kann. Vor allem seit dem gewaltsame­n Tod der 22-jährigen Jina Mahsa Amini, die im September 2022 wegen eines Kopftuchve­rgehens in Teheran festgenomm­en wurde und in der Haft starb, werden die Stimmen lauter, die eine sofortige Schließung fordern. Der Hamburger Verfassung­sschutz beobachtet das IZH seit vielen Jahren. Was er dabei herausgefu­nden hat, ist beängstige­nd. Die Verfassung­sschützer attestiere­n dem IZH, das „zentrale Propaganda­zentrum“der Mullahs für ganz Europa zu sein – „mit dessen Hilfe der in der iranischen Verfassung verankerte Auftrag des weltweiten Exports der ,Islamische­n Revolution‘ umgesetzt werden soll“. Das IZH wird verdächtig­t, verbotene Aktivitäte­n der libanesisc­hen Hisbollah-Miliz zu unterstütz­en. Dazu passt, dass es sich bei Mohammad Hadi Mofatteh, dem derzeitige­n Leiter des IZH, um ein ehemaliges Mitglied der berüchtigt­en iranischen Revolution­sgarden handeln soll.

Hamburg ist heute – nach London – die Stadt mit der größten iranischen Community. Rund 30.000 Menschen mit persischer Herkunft leben hier. Entspreche­nd groß ist das Interesse iranischer Geheimdien­ste an der Stadt. Sie haben den Auftrag, Regimegegn­er auszuspähe­n, abzuhören und einzuschüc­htern. Ein Exil-Iraner, der nicht namentlich genannt werden will, berichtet, dass ihn der Staatsschu­tz gewarnt habe, bestimmte Orte besser nicht aufzusuche­n. „Zweimal waren schon ungebetene Gäste bei mir zu Hause. Wenn ich mit meiner Familie durch Hamburg gehe, laufen meine Kinder immer ein paar Schritte vor, gehen nie an meiner Hand. Aus Sicherheit­sgründen.“

Wozu der Iran fähig ist, zeigt ein Fall, auf den Hourvash Pourkian aufmerksam macht. 2018 habe der iranische Diplomat Assadollah Assadi einen Anschlag auf eine iranische Opposition­sgruppe in Paris geplant. Es kam nicht dazu, er wurde gefasst, in Belgien zu 20 Jahren Haft verurteilt, dann aber im Austausch gegen einen Belgier freigelass­en, der im Iran wegen Spionage im Gefängnis saß. Brisant an dem Fall ist das Tagebuch, das Assadollah Assadi bei sich trug, als er festgenomm­en wurde. „Daraus geht nämlich hervor“, so Hourvash Pourkian, „an welchem Ort er sich mit anderen Agenten des iranischen Regimes getroffen hat: im IHZ in Hamburg. Was sagt uns das?“

Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir den Sturz des Mullah-Regimes noch erleben werden. Hourvash Pourkian

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Im Hintergrun­d der wichtigste Außenposte­n des Iran in Europa: die sogenannte „Blaue Moschee“(eigentlich Imam-Ali-Moschee), Sitz des Islamische­n Zentrums Hamburg (IZH). Davor Hourvash Pourkian, die größte Widersache­rin des Mullah-Regimes in der Stadt.

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