Verteilung von Flüchtlingen:
Einige Stadtteile haben viele Unterkünfte, andere gar keine
Hamburg am Limit. Weil der Stadt Flächen und Gebäude zur Unterbringung von Geflüchteten fehlen, sollen in Zukunft Zelte auf öffentlichen Grünflächen aufgestellt und leerstehende Gewerberäume auch gegen den Willen ihrer Besitzer:innen zeitweise als Notunterkünfte genutzt werden. Die Behauptung, ganz Hamburg sei durch die Unterbringung von Schutzsuchenden stark belastet, ist jedoch schlichtweg falsch. Ein Blick auf die Verteilung der „öffentlich-rechtlichen Unterbringung“von rund 48.000 Schutzsuchenden zeigt: Nur wenige Stadtteile nehmen den Großteil der Flüchtlinge auf, andere beherbergen keinen einzigen.
Die aktuellen Zahlen der Stadt, die die Initiative „Hamburg für gute Integration“anschaulich aufbereitet hat, sprechen eine deutliche Sprache. Danach sind in gerade einmal elf der 104 Hamburger Stadtteile die Hälfte der Asylbewerber:innen und Kriegsflüchtlinge untergebracht – 2016 waren es immerhin noch deren 20. Ganz vorne dabei sind Bahrenfeld, Rahlstedt oder auch Wilhelmsburg. Im kleinen Bilbrook gibt es sogar mehr Unterbringungsplätze für Geflüchtete als Einwohner:innen.
Kaum zu glauben: In 44 Stadtteilen – das sind immerhin über 40 Prozent aller Hamburger Stadtteile – gibt es nicht eine Unterbringung. Dazu gehören große innerstädtische Gebiete wie Eimsbüttel oder Barmbek-Nord, vor allem aber die reichen Villenviertel in den Außenbezirken: Blankenese, Nienstedten und Wohldorf-Ohlstedt. Auch in Wellingsbüttel, Groß Flottbek, Lemsahl-Mellingstedt und Rotherbaum, allesamt in den Top Ten der Quartiere mit dem höchsten Einkommen
pro Bewohner:in, sucht man vergeblich Geflüchtetenunterkünfte.
Die ungleiche Verteilung ist seit Langem bekannt. Bereits 2017, am Ende der ersten sogenannten „Flüchtlingskrise“, kündigte die SPD-Bürgerschaftsfraktion „mehr Standortgerechtigkeit bei der Flüchtlingsunterbringung“an. In der Erklärung heißt es: „Gerechte Verteilung bedeutet, dass gerade auch in wohlhabenden Quartieren Flüchtlinge untergebracht werden. Diese Unterkünfte werden manchmal teurer sein, oder es wird rechtlich komplizierter, aber der soziale Frieden in der Gesamtstadt ist uns das wert. Unterkünfte z. B. in (...) der HafenCity und Blankenese haben wir bereits auf den Weg gebracht.“Der Ausblick der SPD damals: „Es kann bis zu 300 Unterkünfte geben, die gerecht über ganz Hamburg verteilt werden.“Passiert ist seitdem praktisch nichts. Die Unterkünfte in der HafenCity und am Björnsonweg in Blankenese sind längst wieder geschlossen, von den insgesamt 300 Unterkünften ist die Stadt meilenweit entfernt. Insgesamt sind heute genauso viele Stadtteile wie 2016 mit der Unterbringung der neu ankommenden Geflüchteten gefordert: nur 60 von 104. „Die städtischen Flächen, auf die Hamburg Zugriff hat, sind im Stadtgebiet ungleich verteilt“, nennt der SPD-Abgeordnete Kazim Abaci, Mitautor der damaligen Erklärung, den Hauptgrund dafür, dass sich an der ungleichen Verteilung der Geflüchteten in Hamburg nichts geändert hat. Doch warum ist es ausgerechnet in den wohlhabenden Vororten mit viel Grün und aufgelockerter Bebauung nicht möglich, Geflüchtete unterzubringen? Für Klaus Schomacker, Sprecher von „Hamburg für gute Integration“, spielen „mangelnder politischer Wille und fehlende Flächen für die fehlende ‚Fairteilung‘ ebenso eine Rolle wie die Tatsache, dass gut situierte Wohngegenden sich gegen eine unerwünschte Bebauung besser und dauerhaft wehren können“.
Auch die Linken-Abgeordnete Carola Ensslen beklagt, „dass es insbesondere in wohlhabenderen Stadtteilen so wenige Geflüchtetenunterkünfte gibt. In den ruhigeren Jahren wurde versäumt, nachhaltige Unterbringungsangebote zu schaffen. Da wäre es sicher leichter gewesen als jetzt.“
Die verantwortliche Sozialbehörde bleibt in einem langatmigen Antwortschreiben jede konkrete Erklärung für die ungleichmäßige Verteilung Geflüchteter schuldig und betont: „Aktuell steht für uns weniger das Thema Verteilungsgerechtigkeit im Fokus als vielmehr die Frage, wie wir allen Menschen, die in persönlicher Not zu uns kommen, ein Dach über dem Kopf anbieten können.“
Insbesondere in wohlhabenderen Stadtteilen gibt es wenige Geflüchtetenunterkünfte.
Carola Ensslen (Linke)