Hamburger Morgenpost

„Bei mir dürfen Gäste in Jogginghos­e essen“

INTERVIEW Der 30-Jährige über Vorurteile in der Sterne-Gastronomi­e

- Das Interview führte Silvia Risch

Von der Saibling-Roulade zum „Thai Curry“mit Nordsee-Kalmar: Feinste Fisch-Gerichte stehen im „Jellyfish“in Eimsbüttel auf der Karte. Spitzenkoc­h Stefan Fäth hat sich hier einen „Michelin“-Stern erkocht. Mit der WochenMOPO sprach der 30-Jährige über die ersten Koch-Versuche mit seiner Oma, Gebrüll in Sterneküch­en und kuriose Vorfälle bei seinen Einsätzen als Privatkoch.

MOPO: Herr Fäth, wie wichtig ist Ihnen dieser „Michelin“-Stern? Stefan Fäth: Es hängt nicht mein Leben davon ab, so schlimm ist es nicht. Aber es ist, neben einer Außenwirku­ng, natürlich so ein Ego-Ding: Braucht man den Stern? Weiß ich nicht. Möchte man den? Ja! Wenn man in einer bestimmten Kategorie arbeitet, möchte man das Niveau auch halten oder sich weiterentw­ickeln. Mein Team und ich arbeiten auf den zweiten Stern hin.

Es gibt viele Vorurteile, was die Sterneküch­en angeht. Lassen Sie uns einige durchgehen: Es wird in der Küche ständig rumgebrüll­t.

Im Normalfall nicht (lacht). Klar, es gibt hier schon eine Hierarchie und es muss jeder wissen, was passiert. Aber mir ist es am liebsten, es funktionie­rt immer alles und es geht ruhig zu.

Sind Sie ein strenger Chef?

Manchmal ja.

Zweites Vorurteil: Sterne-Restaurant­s sind „Schickimic­ki“.

Da gibt es mit Sicherheit einige Sterne-Restaurant­s, bei denen das so ist. Ist aber genau bei uns nicht der Fall. Wir haben keine weißen

Tischdecke­n und es gibt bei uns keinen Dresscode. Solange jemand Lust auf gutes Essen hat, ist es mir egal, ob er hier im Anzug oder in der Jogginghos­e reinkommt.

Noch ein Vorurteil: Sterneköch­e haben keinerlei Freizeit.

Wir haben schon alle gut zu tun hier. Meine Angestellt­en haben aber immer ihre zwei Tage in der Woche frei. Ich habe das meistens nicht. Als Selbststän­diger arbeite ich oft 80 Stunden die Woche. Mein Tag läuft von 10 bis 24 Uhr, Minimum. Zu 90 Prozent bin ich selbst im Restaurant, koche auch noch selber einen Posten – Fisch, Fleisch und Soßen.

Was machen Sie, wenn Sie doch mal einen Tag Pause haben?

Ich koche auch gerne noch zu Hause. Und eigentlich spiele ich ganz gerne Fußball, schaffe es aber viel zu selten. Ich stehe 14 Stunden täglich auf den Beinen. Und dann ist man irgendwann auch froh, wenn man einfach entspannen kann. Meine Freundin meckert schon immer, dass wir zu selten spazieren gehen. Dafür gehe ich aber mit ihr oder mit meinem Team auch oft privat essen.

In Sterneküch­en?

Das ist gemischt. Ob das jetzt bei „Momo Ramen“ist, im „Grill Royal“oder mal irgendwo ein Schnitzel. Wo wir gerade Lust drauf haben.

Hamburgs Gastronomi­e steckt in der Krise. Merken Sie das auch?

Im Moment ist es die Mehrwertst­euer von 19 Prozent, die vielen Sorgen macht. Denn es gab auch eine Steigerung der Lebensmitt­elpreise von 30 Prozent. Wir haben trotzdem versucht, den Menüpreis vom letzten Jahr zu halten, und haben es anders gelöst. Wir führen einen vegetarisc­hen Gang mehr ein oder statt eines Steinbutts gibt es eine Forelle. Ich finde, es muss für den Gast ja auch noch attraktiv sein, essen zu gehen.

Man kann Sie auch als Privatkoch für Events zu Hause buchen. Ist da schon mal was Lustiges passiert?

Klar! Oft fliegt die Sicherung raus, wenn wir zu viele Geräte in einer Haushaltsk­üche anschließe­n. Oder einmal wollte jemand ein Eis als Dessert haben, hatte aber gar kein Gefrierfac­h. Da musste ich beim Nachbarn klopfen (lacht). Und einmal bin ich davon ausgegange­n, dass jeder Salz zu Hause hat. Es gab dort aber nur grobe Salzkörner, allerdings ohne Mühle. Also habe ich das Salz erst mal in einen Gefrierbeu­tel gefüllt und ordentlich geklopft.

Wie viel kostet so ein exklusiver Service?

Wer sich für eine Geburtstag­sparty mit 15 Leuten einen Sternekoch nach Hause holt, hat doch meistens etwas mehr Geld auf der hohen Kante. Zwischen 500 Euro und open end ist alles möglich.

Wollten Sie als Kind schon Koch werden?

Ja, tatsächlic­h. Mit neun Jahren habe ich das erste Mal ein Gericht selbststän­dig gekocht, ein Gulasch. Wir haben zu Hause im Spessart einen Bauernhof und meine Eltern waren viel auf dem Feld unterwegs. Und d dann habe ich quasi vers ucht, Abendessen für alle e zu kochen.

Und wie ist das Gulasch geen lungen?

Es war ein bissche schmacklic­h dick abgebunden. hätte Gees es aber schlimmer sein können.

Wer hat Ihnen das Kochen beigebrach­t?

Ich habe viel mit meiner Oma gekocht, wenn ich aus dem Kindergart­en und der Schule nach Hause gekommen bin. Es gab jeden Mittag was frisch Gekochtes. Und das haben dann n meinsam drei Generation­en am Tisch g egegessen.

Was ist Ihr Lieblingsg­ericht von Oma damals?

Rinderbrus­t mit Meerrettic­h-Soße und Salzkartof­feln. Meine Oma hat dafür frischen Meerrettic­h benutzt und der ist viel schärfer als der normale. Unter uns Geschwiste­rn war es immer ein Contest, diese Soße zu essen: Wer als Erstes blau anläuft, hat verloren!

„Mit neun Jahren habe ich das erste Mal ein Gericht selbststän­dig gekocht, ein Gulasch.“Stefan Fäth

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Stefan Fäth (30) hat das Kochen von seiner Oma gelernt.

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